Die Experten bei der StZ-Diskussionsrunde sind sich einig, dass kleine Maschinenbauer nur dann eine Zukunft haben, wenn sie kooperieren.

Stuttgart - Die Bereitschaft zur Kooperation und zur Vernetzung mit anderen Betrieben gilt nicht als Stärke des heimischen Mittelstands. Das könnte sich auf dem Weg zur digitalen Fabrik für kleine Unternehmen als fatal erweisen. „Bin ich eigentlich wichtig für meine Kunden?“ Das müsste sich nach den Worten von Ralf Dieter, Chef des Lackieranlagenbauers Dürr, eigentlich jeder Maschinenbauer fragen. Und vielfach lautet die Antwort: Nein. Solche Unternehmen gehen schweren Zeiten entgegen, weil die Digitalisierung an ihnen vorbeigeht, prophezeit Dieter bei der Podiumsdiskussion „Maschinenbau 4.0 – Wer liefert die Fabrik der Zukunft?“ von Stuttgarter Zeitung, L-Bank und der Unternehmensberatung Roland Berger.

 

Thomas Rinn, Industrie-4.0-Experte bei Roland Berger, pflichtet Ralf Dieter bei: „Wo genau steht ein Unternehmen in der Wertschöpfungskette? Das ist die zentrale Frage“, weiß Rinn aus seiner Beratungspraxis. Wer ganz hinten steht, hat keine Chance, wahrgenommen zu werden. Rinn war ebenso wie die anderen Teilnehmer auf dem Podium gerade auf der Industriemesse in Hannover und hat die Maschinenbauer regelmäßig gefragt, ob sie für ihre Digitalprojekte bereits Referenzkunden haben. Ergebnis: Vielfach mussten die Betriebe Fehlanzeige melden.

Die Landesregierung will Partnerschaften fördern

Und nun? Die Antwort darauf gibt Karl-Heinz Streibich, der Chef des Softwareanbieters Software AG in Darmstadt: „Kleine Unternehmen müssen mit anderen zusammenarbeiten, um Relevanz zu erlangen. Große Unternehmen haben diese Relevanz oft von vorneherein.“ Moderator Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, will in diesem Zusammenhang wissen, ob sich kleine Unternehmen grundsätzlich schwerer mit Kooperationen tun als große. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mag da nicht pauschal urteilen, sagt aber auch: „Es gibt tatsächlich ein Gefälle, denn kleinen Unternehmen fehlen vielfach die Ressourcen.“ Die Landesregierung will mit verschiedenen Projekten Partnerschaften fördern.

Rinn kann aber auch das Beispiel eines Unternehmens beisteuern, das es immerhin auf 800 Millionen Euro Umsatz bringt, dessen Chef aber keinen Begriff von den Herausforderungen durch die Digitalisierung hatte. Rinn: „Ohne Kompetenz sind auch keine Kooperationen möglich.“ Einig sind sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde in der Rotunde der L-Bank in Stuttgart in der Einschätzung, dass Software-Plattformen künftig vielfach die große Bühne sein werden, auf der sich Anbieter und Kunden treffen werden. So sagt Streibich zum Beispiel: „Software-Plattformen werden der zentrale Punkt sein.“

Der Gegner heißt nicht Google, sondern Siemens

Genau so alt wie die Diskussion über Industrie 4.0 ist in Europa die Angst davor, dass die Plattformen dereinst von amerikanischen Internetriesen wie Amazon, Google oder Uber beherrscht werden – weil diese Konzerne, so ein häufig zitierter Satz, bereits die erste Halbzeit im Digitalisierungsspiel gewonnen haben. Auch die Wirtschaftsministerin will wissen, ob womöglich im Zusammenspiel zwischen Industriekunden ähnlich wie im Konsumentenbereich ein Plattformbetreiber wie Amazon dominant werden könnte. Dieter gefällt das Bild von den zwei Halbzeiten nicht, denn aus seiner Sicht sind in den beiden Hälften unterschiedliche Spieler auf dem Platz. Das ist ein Satz nach dem Geschmack von Streibich, dessen Software AG ebenso wie SAP oder GFT – Gründer Ulrich Dietz verfolgte die Diskussion in der Rotunde mit großem Interesse – nicht bei den Konsumenten, sondern bei den großen Unternehmen den Fuß in der Tür hat.

Dieter ist sich mit Streibich über die Chancen der deutschen Wirtschaft einig. „Die zweite Halbzeit werden wir gewinnen“, sagt er. „Ich sehe uns da absolut vorne“, formuliert es Dieter. „Wir müssen nur aufpassen, dass wir es bleiben.“ Der Schulterschluss von Industrie und Softwareschmieden macht Moderator Dorfs freilich misstrauisch: „Schiebt sich da nicht ein neuer Mitspieler zwischen Anbieter und Kunden“, fragt er. Streibich wiegelt ab: „Mein Mantra ist, dass wir etwas von Software verstehen“, sagt er. „Was die Industrie macht, das könnten wir gar nicht.“ Dieter, der vor gut einem Jahr durch den Kauf des Software-Unternehmens Itac die IT-Kompetenz von Dürr um knapp 100 Spezialisten erweitert hat, beobachtet sein Umfeld genau. Dabei hat er andere Unternehmen im Blick als eine Softwareschmiede oder den Internetriesen Google. Als Beispiel nennt er Siemens: „Die Gefahr kommt nicht von Google, sondern von um die Ecke.“ Ein großer Maschinenbauer wie Trumpf aus Ditzingen hat sich mit der Tochter Axoom eine eigene Plattform zugelegt. Ein Beispiel, das Dieter erkennbar imponiert.