Der demografische Wandel ist in vollem Gange. Kann die Technik helfen, um alte Menschen zu betreuen? Manchen beschleicht da ein Unbehagen. In einer Gesprächsrunde der StZ haben zwei Experten mit dem Publikum das Für und Wider diskutiert.

Stuttgart - „Der Bildschirm ist nur für Sie“, erklärt Marius Pflüger dem Publikum. Im Normalfall werte der Sensor die Informationen selbst aus und gebe nur nach außen weiter, ob ein Notfall vorliegt – ob also der allein lebende Bewohner der Wohnung gestürzt ist und liegen bleibt. Marius Pflüger legt sich selbst auf den Boden und auf dem Bildschirm verfolgen rund 60 Leserinnen und Leser der StZ, wie der Computer berechnet, dass eine Person gestürzt sein muss. Wie sinnvoll solche technischen Assistenzsysteme sind, war das Thema der Gesprächsrunde „Oma allein zu Hause – macht Technik ihr Leben sicherer?“ am Freitagabend im Stuttgarter Pressehaus. Zu dieser Diskussion hatten die StZ und das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, an dem Marius Pflüger arbeitet, eingeladen.

 

Die Frage der Datensicherheit ist gleich das erste Problem. Marius Pflüger ist sich sicher, das mit seinem Sensorsystem Sens@Home gut gelöst zu haben, weil die Bilder aus der Wohnung betagter Menschen nicht auf einem Server gespeichert werden. Doch der Philosoph und Theologe Arne Manzeschke von der Ludwig-Maximilians-Universität München warf weitere Fragen auf: Wird die Gemeinschaft für die 3000 bis 4000 Euro aufkommen, die das Überwachungssystem für eine Dreizimmerwohnung kosten dürfte, wenn es einmal auf den Markt kommt? Und wie sehr will man sich in die Abhängigkeit von der Technik begeben? Er berichtet von einem Fall aus dem Krankenhaus, wo sich eine Schwester weigerte, nach einem allzu stillen Patienten zu sehen: Ein Monitor überwache doch dessen Vitalfunktionen!

Der Techniker Marius Pflüger sieht sein System als Angebot: „Wenn die Menschen das nicht mögen, wird es sich am Markt nicht durchsetzen.“ Doch Arne Manzeschke sieht schon in der Tatsache, dass das Bundesforschungsministerium die Entwicklung fördert, eine Art Grundsatzentscheidung: „Technik ist nicht neutral“, sagte er. „Schon sie zu entwickeln heißt, dass man glaubt, dass sie im Prinzip zu einem guten Leben beitragen kann.“ Das Überwachungssystem des Fraunhofer-Instituts könnte seiner Ansicht nach funktionieren, doch es gebe andere Hilfssysteme, die tiefer in das Alltagsleben und die Privatsphäre eingreifen. Die Gesellschaft müsse sich darüber verständigen, wie sie alte Menschen versorgen will. „Extrem gefragt: Wollen wir uns von Robotern versorgen lassen?“ Das Publikum, in dem sich nicht zuletzt Forscher, Vertreter des Hausnotrufs und von Seniorenvereinen zu Wort meldeten, nahm regen Anteil an der Debatte.

Ein ausführlicher Bericht von der Veranstaltung folgt.