Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl Die AfD kommt in die Schulen – wie passt das?

Vor Debatten werden Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrern darauf vorbereitet. Foto: dpa/Murat

Einige Gymnasien richten Podiumsdiskussionen zur Bundestagswahl aus – und laden auch die AfD ein. Dafür ernten sie mitunter Kritik. In Filderstadt-Sielmingen wird vor einem Gymnasium sogar die Antifa demonstrieren. Das Kultusministerium macht jedoch klare Vorgaben.

Nein, so hatte sich Peter Bizer das nicht vorgestellt. Noch ein halbes Jahr, dann wird der Rektor des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums (DBG) in Filderstadt-Sielmingen sich in den Ruhestand verabschieden. Seit der Gründung der Schule 2003 ist er ihr Leiter, und er hätte seine Laufbahn gern in Ruhe und Frieden abgeschlossen. Davon ist er allerdings derzeit weit entfernt. Eine Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl, die die SMV am 21. Januar abends ausrichtet, sorgt für Aufregung und hat eine Demo der Initiative Antifaschistische Filder hervorgerufen. Der Grund: Neben Nils Schmid (SPD) oder Matthias Hiller (CDU), Vertretern von Grünen, FDP, Linke und BSW ist auch er eingeladen: Christof Deutscher, AfD-Kreissprecher, Regionalrat und nun auch Bundestagskandidat.

 

Mancher nimmt Peter Bizer als Schulleiter diese Einladung krumm, schließlich wird die AfD auch in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet. „Ich wäre froh gewesen, vor einer solch brisanten Wahl und in dieser politisch aufgeheizten Stimmung gar nicht erst mitmachen und so eine so schwierige Situation regeln zu müssen“, bekennt er.

Peter Bizer ist Theologe, seine Schule ist nach einem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus benannt. „Der Name hat große Bedeutung für mich. Dietrich Bonhoeffer steht für Zivilcourage, Austausch und Ethik“, sagt er. Dann schiebt er nach: „Gerade weil Bonhoeffer uns viel Verantwortung auferlegt hat, ist es wichtig, dass wir die demokratische Diskussion nicht abreißen lassen und im Gespräch bleiben.“ Die SMV habe sich die Debatte explizit gewünscht, „im vollen Wissen, dass dann alle Parteien, die im Bundestag vertreten sind, einzuladen sind“. Im Sinne der Politikerziehung wolle er sie nicht dieser Möglichkeit berauben.

Eine relevante Partei bewusst auszuschließen, das geht laut Kultusministerium nicht. „Die Schule ist zur politischen Ausgewogenheit und Überparteilichkeit verpflichtet, soll aber den lebendigen Kontakt zu der außerschulischen Wirklichkeit herstellen, wozu auch der Gedankenaustausch mit Abgeordneten gehört“, heißt es in einer Handreichung an die Schulen zur Bundestagswahl. Sofern bei den Einladungen eine Auswahl getroffen werden müsse, habe sich diese an der Bedeutung der Parteien zu orientieren. Entscheidend seien hier Ergebnisse früherer Wahlen und aktuelle Prognosen. „Der Umstand, dass die AfD in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ändert nichts daran, dass öffentliche Schulen bei Veranstaltungen mit Abgeordneten oder anderen Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik den Grundsatz der parteipolitischen Ausgewogenheit und Neutralität zu beachten haben“, teilt der Ministeriumssprecher Florian Mader mit. Alles andere wäre mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes und der Landesverfassung nicht vereinbar.

Entsprechend haben auch andere Schulen AfD-Politiker eingeladen. Am Immanuel-Kant-Gymnasium in Leinfelden findet am 6. Februar unter dem Titel „provoKant“ ein Podium statt, die AfD habe aber auf die Einladung bislang als einzige Partei nicht reagiert, sagt der Schulleiter Hans Bahner. Grundsätzlich findet er: „Auch wenn es unangenehm ist: Wir müssen hier Demokratie leben.“ Im Paracelsus-Gymnasium in Hohenheim richtet die Politik-AG ebenfalls eine Veranstaltung aus. Dafür wurden ebenso alle großen Parteien angefragt, die im Wahlkreis antreten, sagt die Schulleiterin Katharina Wetz. Die Diskussion werden zwei Neuntklässlerinnen leiten, „und sie sehen der Herausforderung gelassen entgegen, verfassungsfeindliche Positionen zu erkennen und diesen dann klar entgegenzutreten“. Damit lasse die Schule die Teenager aber nicht allein. „Und es ist sicher auch Aufgabe der anderen demokratischen Parteien, hier sauber Position zu beziehen.“

Auch andere Schulen haben AfDler eingeladen

In Sielmingen bereitet man derweil ebenfalls die SMV inhaltlich auf den Abend vor. Zudem seien Lehrkräfte und andere Politiker anwesend, die etwa Thesen einordnen könnten. In Absprache mit dem Ordnungsamt und der Polizei ist ein Sicherheitskonzept erarbeitet worden. Als Hausherr behält sich Peter Bizer zudem vor einzugreifen, wenn die Veranstaltung etwa durch Demonstranten gestört werden sollte.

„Ich kann die Anliegen der Gegenkundgebung durchaus nachvollziehen, halte deren Mittel aber für falsch und glaube, dass eine angemessene Auseinandersetzung nur im Rahmen eines demokratischen Diskurses möglich ist“, sagt Bizer. In der Schule und von der Stadt erhalte er viel Zuspruch. Auch mit dem Elternbeiratsvorsitzenden habe er sich ausgetauscht. „Eine extrem große Mehrheit sagt: Herr Bizer, wir lassen uns unsere demokratische Tradition nicht nehmen.“ Eine Absage empfände er als „eine Bankrotterklärung der demokratischen Kultur in unserem Land“.

Heißt politisch neutral auch wertneutral?

Pflicht
Laut dem baden-württembergischen Kultusministerium dürfen öffentliche Schulen bei Podiumsrunden zur Bundestagswahl keine der relevanten Parteien bewusst übergehen, vielmehr besteht eine Pflicht zur politischen Ausgewogenheit.

Wertneutralität Was der Ministeriumssprecher Florian Mader indes betont: Schulen sind keine „wertneutralen Orte“. Die Erziehung zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung sei nur möglich, wenn Lehrkräfte ihre Werte und Haltung mit einem klaren Kompass und dem unmissverständlichen Einsatz für die Freiheit und Demokratie vermittelten. „Äußerungen oder Aktivitäten, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, kann im schulischen Kontext daher kein Raum gegeben werden, ihnen ist vielmehr entgegenzutreten.“

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