Das Pokémon-Fieber hat auch den Landkreis erfasst – mit all seinen Begleiterscheinungen wie Ruhestörung oder gar Hausfriedensbruch. Bietigheim will der digitalen Jagd nun einen Riegel vorschieben.

Bietigheim-Bissingen - Jeden Morgen muss man euren Müll hier wegräumen“, beschwert sich eine ältere Dame bei einem Teenager. Der sitzt auf einer Mauer an der Metter am Bietigheimer Japangarten und ist sichtlich bemüht, der Frau die gebotene Aufmerksamkeit zu schenken, aber gleichzeitig nicht den Blick vom Smartphone-Display abzuwenden. Denn es gilt, seltene Pokémon zu fangen. Seit das sogenannte Augmented-Reality-Spiel fürs Smartphone Mitte Juli auch in Deutschland zu haben ist, steigt die Zahl der Spieler immer weiter. Mittlerweile sind sie allgegenwärtiger Teil des Stadtbilds: junge Menschen, die spazieren gehen, aber dabei unentwegt aufs Smartphone starren.

 

So auch Matthias und Daniel. Die beiden wohnen in Sachsenheim, arbeiten aber in Stuttgart. Auf dem Weg nach Hause haben sie in Bietigheim einen Stopp eingelegt. Denn hier, am Japangarten, befindet sich so etwas wie das Mekka der Pokémon-Spieler im Landkreis Ludwigsburg: „Hier gibt es gleich drei Pokéstops an einem Platz. Man kann Gegenstände sammeln, ohne herumlaufen zu müssen“, erklärt Daniel.

Teilweise mehr als 50 Sammler am Japangarten

Was sie aber trotzdem tun, denn in der Nähe tummeln sich einige besonders begehrte Taschenmonster, beispielsweise das Heuschrecken-Pokémon Sichlor. „Und Pikachu gibt’s weiter oben beim Aldi“, sagt Matthias. Besonders sonntags sei hier viel los, teilweise tummelten sich hier mehr als 50 Monsterjäger, berichten viele der Spieler. Über Facebook-Gruppen organisieren sich die Fans, in Bietigheim-Bissingen gibt es eine Gruppe mit 159 Mitgliedern, in Ludwigsburg sind es sogar acht Gruppen mit knapp 700 Mitgliedern.

Die Stadt Ludwigsburg habe keine Probleme mit den Monsterjägern, sagt die Stadt-Sprecherin Susanne Jenne auf Nachfrage. Die beliebtesten Tummelplätze seien das Blühende Barock sowie die Bärenwiese, „und da verteilt sich der Andrang recht gut“, sagt Jenne. Ganz anders sieht das in Bietigheim aus. „Die Lärmbelästigungen sind erheblich“, sagt die Stadtsprecherin Anette Hochmuth. Vor allem im Japangarten hielten sich teilweise bis in die Morgenstunden Spieler auf, mit der Folge, dass die Wiesen an der Metter danach vermüllt und die Anwohner genervt seien.

Die Arena am Japangarten soll jetzt weg

Die Polizei werde regelmäßig von den Anwohnern gerufen. Die Stadt ist nun auf den Hersteller zugegangen und hat die Löschung eines besonders markanten Punktes gefordert: einer Arena, in der sich die Spieler mit ihren Pokémon duellieren können. Diese sind häufig an markanten Stellen im Stadtbild wie Plätzen oder Denkmälern zu finden. Die Stadt hat gute Chancen auf Erfolg: Erst jüngst entfernte Nintendo auf Druck von Seiten des Domkapitels eine Arena aus dem Kölner Dom.

Die Polizei im Landkreis Ludwigsburg verzeichnet seit der Freischaltung der App „sehr viele Einzelmeldungen“ zu Pokémon-Spielern, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn. Meist gehe es um Ruhestörung, manchmal aber auch um Sachbeschädigung oder gar Hausfriedensbruch. Neben dem Japangarten sei der Golfplatz des Golfclubs Schloss Monrepos ein beliebter Treff. Dort seien Spieler auch schon nachts über die Zäune geklettert, um Pokémon zu fangen. Ob die Polizei im Landkreis bereits einen eigenen Spieler-Account eingerichtet hat, um die Hotspots im Spiel erkennen zu können? Peter Widenhorn bemüht sich um eine diplomatische Antwort: „So weit ist es noch nicht.“

Das Spielprinzip

Smartphone
– Pokémon Go ist ein Augmented-Reality-Spiel fürs Smartphone. Dabei vermischen sich in der App reale und virtuelle Welt. Der Spieler bewegt sich in der realen Welt, und auf seinem Smartphone-Display erscheinen Pokémon, die er fangen, trainieren und gegen Pokémon anderer Spieler antreten lassen kann. Man ist während des Spiels mit dem Internet verbunden, Kamera und GPS-Ortung sind aktiviert. Co-Entwickler neben Nintendo ist die Firma Niantic, die bereits mit dem Augmented-Reality-Spiel Ingress für Furore gesorgt hat.

Idee
– Pokémon bedeutet Pocket-Monster. Erfunden hat sie vor 20 Jahren der Japaner Satoshi Tajiri, der als Kind gerne im Wald Insekten sammelte. „Schnapp sie dir alle“, ist das Motto bei Pokémon. Ursprünglich gab es das Spiel für den Gameboy, später kamen eine Zeichentrickserie, Filme und Sammelkarten hinzu.