Am Samstag tritt der VfB Stuttgart beim deutschen Rekordmeister FC Bayern München an. Vor einigen Jahren war das Match noch als Südgipfel bekannt. Doch bei der anstehenden Partie ist das anders als 2009, denn auf dem Gipfel steht nur noch einer.

Stuttgart - Es war einmal ein Südgipfel. Davon haben die Fans früher gesprochen, wenn der FC Bayern und der VfB Stuttgart aufeinandergetroffen sind. Beide Vereine begegneten sich annähernd auf Augenhöhe, stets relativ weit oben in der Tabelle angesiedelt – wie zuletzt 2009, als sie beim direkten Duell am letzten Spieltag in München noch die Chance hatten, Meister zu werden. Jetzt bei der Partie am Samstag ist das anders als 2009, denn oben auf dem Gipfel steht nur noch einer.

 

Der VfB ist unten im Tal. Er hat in jeder Beziehung den Anschluss verpasst – nicht nur zu den Bayern, sondern auch zu weiteren Konkurrenten wie Dortmund, Schalke, Leverkusen oder Wolfsburg, die enteilt sind: sportlich, wirtschaftlich, organisatorisch, strukturell.

Das ist hauptsächlich passiert, weil der VfB nicht erst seit 2009 immer hintendran gewesen ist bei strategischen Entscheidungen. Während andere Clubs beispielsweise schon Geld mit der Vermarktung ihrer neuen Stadien verdient haben, überlegten die Verantwortlichen in Stuttgart noch, ob sie überhaupt eine Fußballarena brauchen. Der VfB war so ziemlich der letzte Verein, der sich zum Umbau entschlossen hat.

Oder das Merchandising: Borussia Dortmund beackert dieses Feld nicht erst seit gestern und nimmt da mittlerweile rund 45 Millionen Euro pro Jahr ein. Beim VfB lief das Geschäft bis vor Kurzem nur so nebenbei. Er verdient rund vier Millionen.

Oder die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung, die an den allermeisten Bundesligastandorten schon vollzogen ist – und in Stuttgart noch diskutiert wird.

VfB hat wichtige Trends verschlafen

Durch diese zögerliche Politik entfernte sich der VfB vom Gipfel – ein schleichender Prozess, der im Club lange nicht wahrgenommen wurde, weil es dennoch oft gelungen ist, sich für den Europapokal zu qualifizieren. Das diente der Vereinsführung als Bestätigung dafür, nichts ändern zu müssen. Als Folge dieses Trugschlusses ist der VfB jetzt abgestürzt.

Er hat existenziell wichtige Trends verschlafen, selbst in seiner einstigen Domäne: der Jugendarbeit. Daniel Didavi, Antonio Rüdiger und Timo Werner sind die Einzigen, die seit 2009 den Sprung aus dem Nachwuchs zu den Profis geschafft haben und dort eine Rolle besetzen. Als weitere Eigengewächse gehören nur noch Sven Ulreich und Christian Gentner zum Kader. Die Bayern haben Philipp Lahm, Holger Badstuber, David Alaba, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und neuerdings auch Gianluca Gaudino, die alle größtenteils in München ausgebildet wurden.

Nationalspieler hervorzubringen ist auch der Anspruch des VfB. Erfüllt wurde er mit Mario Gomez, Kevin Kuranyi, Andreas Hinkel, Sami Khedira und Serdar Tasci. Aber das geschah unter dem alten Jugendchef Thomas Albeck. Der Manager Fredi Bobic stellte diesen Bereich nach seinem Einstieg 2010 personell neu auf, wodurch Kontinuität verloren ging. Auf Albeck folgte Marc Kienle, der nach einem Jahr zu den Bayern abwanderte und durch Ralf Becker ersetzt wurde. Das Ergebnis der Rochaden? Antwort: wie viele Nationalspieler hat der VfB seit 2009 noch mal entwickelt? Einen, und das ist Rüdiger.

Rainer Adrion ist als Jugendchef zurückgekehrt

Jetzt ist Rainer Adrion als Jugendchef zurückgekehrt – und parallel dazu scheint im Club ein Umdenken stattgefunden zu haben. So soll die gesamte Nachwuchsschiene wieder konsequenter gefahren werden – eine Anweisung der Chefetage um den Präsidenten Bernd Wahler, der das zu einem zentralen Punkt des im Dezember 2013 verabschiedeten Leitbilds gemacht hat. Laut StZ-Informationen ist sogar geplant, in künftigen Verträgen mit dem Profitrainer festzuschreiben, dass dieser den sichtbaren Versuch unternehmen muss, pro Saison mindestens zwei Talente an die Bundesliga heranzuführen – wenn er sein volles Gehalt kassieren will. „Wir setzen auf die Jugend – nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen“, sagt Wahler dazu.

Allerdings ist seit 2009 im Management so vieles in die falsche Richtung gelaufen, auch manche Transfers, dass sich die daraus entstandenen sportlichen, wirtschaftlichen, organisatorischen und strukturellen Defizite kaum von heute auf morgen beheben lassen. So wird es wohl eine Weile dauern, bis die Fans wieder von einem Südgipfel sprechen können – wenn überhaupt.

VfB- und Bayern-Talente seit 2004 – und was aus ihnen wurde