Berlin blamiert sich bis auf die Knochen, doch die Politik scheint das nicht sonderlich zu stören.

BerlinKlaus Wowereit hat einmal gesagt, Berlin sei im Grunde unregierbar. Er hat womöglich Recht, aber das wäre nicht das Schlimmste. Fatal ist die Haltung, so was als Regierungschef zu sagen und dabei bester Stimmung zu bleiben.

 

Berlins ist toll – aber leider auch die Welthauptstadt des Achselzuckens. Der Flughafen wird nicht fertig? Wie bedauerlich. Die Staatsoper eröffnet noch später? Na so was. Am Landesamt für Gesundheit und Soziales – kurz Lageso – frieren Flüchtlinge im Matsch, während drinnen der Job des Aktensuchers erfunden wird? Eieiei.

Die Zahl der Geschichten, bei denen man sich an den Kopf fasst, ist groß. Aber immer, wenn man denkt, es geht nicht mehr chaotischer, dann legt Berlin noch einen drauf. Das jüngste Kapitel in der Geschichte des Versagens liegt jenseits des bisher Vorstellbaren: Die Berliner werden ihr Abgeordnetenhaus womöglich nicht wie geplant am 18. September wählen können – wenn nicht ganz schnell was passiert.

Davor hat gerade eben die Landeswahlleiterin in einem Brandbrief gewarnt. Grund: die neue Software – eingeführt im März - funktioniert nicht. Und dann ist da noch ein organisatorischer Irrwitz, der an Rechtsbruch grenzt: Wer zu- oder umzieht, kann sich nicht anmelden, weil er schlicht keinen Termin dafür bekommt.

So langsam geht auch all jenen die Puste aus, welche die Stadt immer verteidigt haben gegen den missgünstigen Rest der Republik – als eine Metropole, die an ihrer Geschichte trägt – mit teuren Doppelstrukturen, Strukturschwäche, gigantischen Erwartungen. Und in der auch vieles besser wird: weniger Arbeitslose, enormes Wachstum. 50 000 Neuberliner ziehen jedes Jahr hierher – und, ja, das überlastet die Infrastruktur.

Nur: Wer damit erklären will, dass in Berlin so wenig klappt, der lügt sich in die Tasche. Die Stadt hat ein Verwaltungsproblem. Aber sie hat vor allem ein Mentalitätsproblem. Das drohende Wahl-Debakel ist wie ein Déjà vu des Pannen-Flughafens BER: gegen „besonders kritische“ Punkte soll ein „Zeit- und Maßnahmenplan“ helfen, der aber schon „zu spät angesetzt“ ist. Der verantwortliche Staatssekretär weilt in Urlaub. Und sein Vertreter tut, was man als politisch Verantwortlicher in dieser Stadt tut: alles von sich schieben.

Nähme man all die Energie zusammen, die jeder darauf verwendet, seine Unzuständigkeit zu begründen, dann wäre schon viel geholfen. Aber das Gegenteil passiert. Zwölf Bezirke hat die Stadt, jeder für sich eine Großstadt, die am Tropf des Senats hängt, aber nicht weisungsgebunden ist. Die ineffektiven Strukturen zermürben die vom Sparen demotivierten Mitarbeiter. Das begünstigt eine mentale Haltung, die ohnehin im zweistufigen System angelegt ist: Wenn’s knirscht, dann überprüft man, wer verantwortlich sein könne und schaut den Vorgängen dabei zu, wie sie gegen die Wand gefahren werden. Wenn dann die Krise dann da ist, werden Ersatzbehörden erschaffen, die mühsam aufräumen.

Selbst der Regierende Bürgermeister Michael Müller erklärte in Krisen bisweilen, er sei nicht zuständig. Dieses Denken des führenden Sozialdemokraten kann man außerhalb Berlins niemandem erklären. Und mit Achselzucken lässt es sich nicht ändern.