In den sozialen Netzwerken plaudern die neuen Regierenden in Baden-Württemberg zum Teil sehr offenherzig über ihren Amtsstart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das erste Zwischenfazit zog Gisela Splett (Grüne) schon nach einer Woche. "Regieren macht Spaß, ist aber anstrengend", bilanzierte die Karlsruher Landtagsabgeordnete und Staatssekretärin im neu geschaffenen Verkehrsministerium. Zunächst habe sie nur ein leeres Büro vorgefunden, inzwischen sei sie immerhin schon "per Mail und Telefon erreichbar" und mit dem "Kennenlernen der Mitarbeiter/-innen" beschäftigt. Nun gelte es, einen "Überblick über die aktuell anstehenden Aufgaben" zu gewinnen.

 

Einblicke in ihr neues Leben als Regierungsmitglied gewährt Splett regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. Alle paar Wochen lässt sie die Netzgemeinde dort an ihren Erfahrungen nach dem Rollenwechsel teilhaben. "So langsam werden wir arbeitsfähig", meldete sie nach einem Monat im Amt und berichtete von ihren ersten Vor-Ort-Terminen: Mal habe sie eine neue S-Bahn-Haltestelle in Sinsheim eingeweiht, mal sich in Karlsruhe von einem Windkraftwerk abseilen lassen.

Reinhold Gall und die Currywurst

Mit der Frequenz ihrer Einträge liegt Splett etwa im Mittelfeld ihrer Kabinettskollegen. Höchst unterschiedlich ist deren Aktivität in den sozialen Netzwerken, vorneweg Facebook und Twitter. Bei manchen neuen Ministern und Staatssekretären ist das im Wahlkampf noch hohe Mitteilungsbedürfnis nach dem Wahlsieg schlagartig erloschen. Neue Einträge gibt es da seit dem 27. März kaum noch, im Zweifel stellen Mitarbeiter Links auf Zeitungsartikel, Videobeiträge oder Pressemitteilungen ein. Andere "posten" und "twittern" auch als Regierungsmitglieder weiterhin persönlich - und das zum Teil ziemlich offenherzig. Da wird über Lust und Last der neuen Ämter geplaudert, der politische Gegner attackiert und das eigene Tun ins rechte Licht gerückt.

Zu den eifrigsten Online-Kommunikatoren dürfte Innenminister Reinhold Gall (SPD) gehören. Täglich meldet sich der Heilbronner Abgeordnete mindestens einmal, um seine Fans auf dem Laufenden zu halten. "Heute viele Hände geschüttelt, erster größerer Rundgang durchs Ministerium", hieß es zum Beispiel am Tag sechs seiner Amtszeit. "Schön, dass so viele freundliche Menschen im IM arbeiten." Mal "zwitschert" Gall aus dem Stau bei der abendlichen Heimfahrt in der Dienstkarosse ("interessanter Arbeitstag, verging wie im Flug"), mal nach dem sonntäglichen Besuch auf dem Golfplatz ("jetzt noch Aktenstudium und Tatort"), mal von der Innenministerkonferenz. "Ganz nett hier in Frankfurt", tickerte er da an die Netzgemeinde. "Abendessen im Commerzbanktower - und mein Zentralstellenleiter vertilgt anschließend eine Currywurst."

Über Stress klagt der Genosse ebenso wie die Grüne Splett. "Nach drei anstrengenden Tagen morgen nur Halbgas bei der Arbeit", kündigt er einmal an. Das Programm: "Frühsport, Akten, kleines Schläfchen, Akten, Besuch bei meiner Mutter." Mal ist von der Vorfreude aufs "Feierabendbierchen" die Rede, mal vom Glas Rotwein zum Frauenfußball. Auch über seinen Ausgleichssport wird regelmäßig rapportiert. Leseproben: "Crosstrainer eingeweiht und gleich wieder übertrieben", "Hantelbank - Kniegeräusche unerträglich".

Bonde genießt seine neue Bedeutung

Vielleicht am eifrigsten tummelt sich der Grüne Alexander Bonde in den sozialen Netzwerken. Etwa viermal täglich gibt der Agrarminister kund, was er gerade treibt. Auch bei ihm ist die Arbeitsbelastung ein Thema. Mal legt er "eine Nachtschicht ein, um den Berg an noch unbeantworteten Terminanfragen und Glückwunschschreiben wenigstens etwas zu verkleinern", mal nutzt er eine Telefonschaltkonferenz der Partei, um nebenher den "Kampf mit dem Aktenberg" aufzunehmen. Gerne unterstreicht der 36-Jährige seine neue Wichtigkeit - etwa so: "Jetzt in der Berliner Daimler-Repräsentanz. Kleines Mittagessen mit Vortrag von Kanzleramtschef Pofalla zur aktuellen Lage."

Bonde nutzt das Forum indes auch für den politischen Schlagabtausch. Als er in die Kritik gerät, weil er während des Ehec-Alarms bei einem Besuch auf der Reichenau nicht in eine Gurke beißen mag, postet er trotzig, er werde "auch weiter nicht über Show-Stöckchen springen, die Fotografen hinhalten". Vorwürfe aus der CDU pariert er mit dem Verweis auf die offizielle Gurkenwarnung der Unionsverbraucherministerin: "Was genau haben Sie eigentlich nicht verstanden?", giftet er den CDU-Generalsekretär Thomas Strobl an. Auch Bahnchef Grube kriegt da mal einen Seitenhieb ab, wenn ein Mitarbeiter wegen eines verpassten Anschlusszuges zu spät zu einem Ortstermin kommt. Selbst Offizielles verkündet der jüngste Minister im Kabinett Kretschmann via Twitter - so etwa, dass er neuer Präsident des Tourismusverbandes werden soll. Die Offerte werde er "traditionsgemäß" annehmen.

So offensiv Bonde agiert, so defensiv klingt die neue Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). Auch auf ihrer Facebook-Seite verteidigt sie die umstrittene Einrichtung eines eigenen Ministeriums: Das sei sinnvoll, "weil die Folgekosten von Nichtintegration eindeutig höher sind". Zugleich stellt Öney ihren Sparwillen unter Beweis: "Die Ausstattung der Büros im Ministerium besorgen wir über die Betriebe der Strafvollzugsanstalten." Das sei auch ein Beitrag zu Integration und Resozialisierung, so die einst grüne Genossin.

Die Staatssekretärin Splett hat derweil ihre 50-Tage-Bilanz präsentiert: Vieles habe sich schon getan, "aber sehr vieles bleibt noch zu tun". Just zur Halbzeit der üblichen Schonfrist meldete sie eine weitere Premiere: "Heute habe ich zum ersten Mal eine sanierte/ausgebaute Landesstraße für den Verkehr frei gegeben."

Website und Facebook

Internet Das Internet ist auch für Politiker zu einer unverzichtbaren Kommunikationsplattform geworden. Heute gibt es wohl keinen Mandatsträger mehr, der nicht über eine eigene Website verfügen würde. Selbst ältere Abgeordnete, die mit der Online-Welt nicht recht warm werden, lassen sich von Dienstleistern eine Seite basteln.

Netzwerke Auch in den sozialen Netzwerken tummeln sich inzwischen viele Politiker. Facebook, Twitter & Co. gelten vor allem als Vehikel, um jüngere Leute anzusprechen, die man über die klassischen Medien zunehmend nicht mehr erreicht. Die Qualität der Kommunikation ist dabei sehr unterschiedlich: ausgetauscht werden viele Banalitäten , aber auch politische Argumente und Einschätzungen.