Billige Anmache oder coole Aktion? Ein Politiker im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg umwirbt die Hauptstadt-Schwaben mit eigens auf sie zugeschnittenen Plakaten und einem schwäbischen Video.

Berlin - Als Schwabe hat man es nicht immer leicht in Berlin. Seit Jahren haben Zugereiste aus dem Ländle einen schweren Stand in der Hauptstadt. Besonders im Ortsteil Prenzlauer Berg scheinen Stuttgarter, Pforzheimer und Co. nicht gut anzukommen. Nicht wenigen gelten sie als spießig und als Mietpreistreiber. Der Berliner Bundestags-Abgeordnete Stefan Liebich will dem „Schwabenhass“ nun etwas entgegensetzen. Dieser entlud sich über die Jahre hinweg schon mehrfach. Im Prenzlauer Berg wurden Sprüche wie „Schwaben töten“ oder „Kauft nicht bei Schwab’n“ auf Hauswände gesprüht. Ein Mann, der Brandanschläge im Ortsteil verübte und unter anderem einen Kinderwagen anzündete, gab Hass auf die Schwaben als Tatmotiv an.

 

In Stuttgart und in Berlin haben Stefan Liebich und sein Team deshalb jeweils 20 Plakate aufgehängt, die eine eng definierte Zielgruppe haben: die Schwaben in der Hauptstadt. Sie umwirbt er mit Sprüchen wie: „Liebe Nazis: Bitte enfach mal DAS MAULtäschle halten“, „Mir denked au an die kloine Leud“ oder „Schaffe, Schaffe, Sozialwohnunge baue“. In Berlin hängen die Plakate rund um den Kollwitzplatz, mitten im Prenzlauer Berg - quasi dem Hotspot des „Spätzlekrieges“, wie manche die Außeinandersetzungen zwischen Berlinern und Schwaben nennen.

Schleimerei oder Kampagne mit Substanz?

Stefan Liebich kandidiert in diesem Jahr zum dritten Mal im Bezirk Pankow, zu dem auch Prenzlauer Berg gehört. Warum also nicht die Zugezogenen, die keinen unerheblichen Teil der Wahlberechtigten ausmachen dürften, direkt ansprechen und umwerben? Den Vorwurf, die Aktion sei ein billiger Werbetrick, um an Wählerstimmen zu kommen, will er sich nicht gefallen lassen. „Natürlich ist es eine Aktion mit einem Augenzwinkern“, sagt Liebich, „aber dahinter stecken eine ernste Debatte und echte Inhalte“. Echte Inhalte ja, aber keine, die explizit auf die Schwaben zugeschnitten seien. „Ich mache keine Schwabenpolitik, ich mache Linken-Politik“, sagt er. In diesem Fall sei die Ansprache eben ein wenig anders als gewohnt.

Zusätzlich zu den Plakaten gibt es zwei Videos, eines auf Schwäbisch und eines auf Hochdeutsch, das die Wähler umwerben soll. Im Video presst Liebich Spätzle und eine Stimme aus dem Off spricht über soziale Gerechtigkeit und Weltoffenheit. Die schwäbische Version hat einer der Großen der Partei eingesprochen, der Vorsitzende Bernd Riexinger, der aus Leonberg stammt. Denn das kann Stefan Liebich nicht: schwäbeln. Das weiß er aber selbst, „das wirkt bei mir etwas gestelzt“, sagt er. Inspiriert wurde er von einem anderen Großen, von einer anderen Partei: Winfried Kretschmann, der zur Landtagswahl 2016 mit einem ähnlichen Video für sich warb – und am Ende Ministerpräsident von Baden-Württemberg wurde.

Symbol für Weltoffenheit

Liebich, der selbst kein Schwabe ist, sondern aus Wismar kommt, will den Schwaben die Hand ausstrecken: „Das Problem sind nicht die Schwaben in Berlin. Es geht um Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Verteilung“. Das Problem sei eher eine fehlende Differenzierung bei Themen wie Gentrifizierung im Bezirk, für die nicht die Schwaben allein verantwortlich seien. Dass die Schwaben seit Jahren zum Sündenbock gemacht und angefeindet würden, sei ihm schon lange aufgestoßen. Spätestens als der SPD-Politiker Wolfgang Thierse 2012 monierte, die Schwaben würden sich nicht anpassen wollen und sollten doch gefälligst „Schrippe“ und nicht „Wecken“ sagen, sei es ihm unbehaglich geworden.

In Stuttgart hängen die Plakate auch. Am Hauptbahnhof, in Vaihingen, am Schlossplatz und einigen anderen Orten. „Die, die im Sommer Zuhause in Stuttgart sind, können sich dann gleich drauf einstellen, was sie in Berlin erwartet“, erklärt Liebich. Im Grunde gehe es ihm auch nicht nur um die Schwaben, sagt er. Hinter dem Schwabenhass stecke ein Stück Fremdenfeindlichkeit. Und Fremdenfeindlichkeit gehe nun mal gar nicht. Deshalb soll seine Aktion ein Symbol für alle sei, die neu nach Berlin kommen. Ob aus Norwegen, dem Libanon oder Schwäbisch Gmünd.