Der neue Roman „Project@party“ des kosovoalbanischen Autors Beqë Cufaj führt in einvon Bürgerkriegen zerrüttetes Land.
Stuttgart - Ein kleines, namentlich nicht genanntes Land, von Aufruhr, Krieg, Vertreibung entstellt. Ein Land ganz unten, so weit, dass alles andere von dort aus wie oben erscheint. Ein Land vielleicht wie das Kosovo, in dem die jüngere Geschichte eine soziale, wirtschaftliche und politische Schräglage hinterlassen hat, über die sich das Helferheer der Internationalen Gemeinschaft herabwälzt, eigentlich um Aufbauarbeit zu leisten, faktisch aber um eine Art humanitäres Belagerungsregime zu etablieren.
Unter den Kolonialherren des Mitgefühls, die alles unter ihre Vormundschaft gestellt haben, ist auch ein vom Leben gebeutelter Professor aus Stuttgart. Auf den Trümmern einer gescheiterten Beziehung plant er, mit fleißigem Nationbuilding an frühere Weltverbesserungsprojekte anzuknüpfen. Er landet allerdings erst einmal in allerlei Clubs und Etablissements, in denen die Missionare des Weltfriedens Körper und Seele baumeln lassen, um sich für ihren verdienstvollen Einsatz in Fluten von Bier, Cognac und Raki von widerwärtigen Gerüchen, trostlosen Aussichten, schmutzstarrenden Quartieren reinzuwaschen.
Die Hilfskräfte bilden eine Parallelgesellschaft
Nachdem Beqë Cufajs Debüt „Glanz der Fremde“ das Geschick zweier Einwanderer dort oben im Licht von Glück und Wohlstand verfolgt hat, wendet sich sein zweiter Roman „Projekt@party“ einer anderen Parallelgesellschaft zu: jener, die die Emissäre scheinbar allgemeingültiger politischer Werte und Prinzipien ganz unten, im wilden Herzen der Finsternis, bilden.
Und wie jene Glückssucher, umnebelt von vagen Hoffnungen, die harte Wirklichkeit der Wohlstandsgesellschaft verfehlen, so verfehlen die Glücksritter des internationalen Krisenmanagements die Realität der einheimischen Bevölkerung. Ferngesteuert von überseeischen Schaltzentralen sind sie blind für lokale Traditionen – ausgenommen die Trinkkultur.
Die Realität in den Krisengebieten gibt Cufaj recht
„Eine unsichtbare Mauer trennt uns von den Leuten“, stellt der Professor ernüchtert fest. Er ist mit dem Wiederaufbau des Bildungssystems betraut. Das einzige aber, was wächst, ist der Stapel unerledigter Aufgaben. Der Verblendung des Professors steht die zurückhaltende Klugheit seines Dolmetschers gegenüber, einer Figur wie hinübergewandert aus der Odyssee von Cufajs erstem Roman. „Projekte, Projekte, nichts als Projekte. Und dazu Partys, Partys nichts als Partys“, auf diesen deplorablen Nenner bringt er die große Mission.
Der Kluft zwischen virtueller Realität und dem Leben draußen gewinnt Cufaj eine spezifisch politische Qualität ab. Der eitle Trug offizieller Wunschvorstellungen korrespondiert mit der unerfüllten Universalität der digitalen Welt. Sein Roman ist selbst nicht frei von Verallgemeinerungen und Vereinseitigungen. Aber hinter ihnen wirkt ein von Erfahrungen gesättigter Zorn. Von der Realität in den Krisengebieten jedenfalls wird er nicht widerlegt.