Auch die CDU redet über das Klima – in der Motorworld, zwischen blitzenden Bentleys und röhrenden Lamborghinis.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Vor nicht allzu langer Zeit ist „CDU pur“ noch anders verstanden worden. An diesem Tag scheint es geradezu, als stünde das C im Parteinamen für die CO2-Reduzierung. Der Kreisvorsitzende Michael Moroff hat „CDU pur“ gleichsam zur Überschrift erhoben über diese Veranstaltung, die typisch ist für einen politischen Ferienbeginn. Zu dieser Jahreszeit laden die Parteien gern ein, um zurück und voraus zu blicken.

 

Vor ein paar Tagen erst hatten zu diesem Zweck die örtlichen Sozialdemokraten Andreas Stoch zu Gast. Der SPD-Landesvorsitzende blickte – mangels aktuell erfreulicher Nachrichten – gar zurück auf historische Erfolge der Sozialdemokratie. Für die Zukunft rief Stoch die ökologische Wende aus, SPD-gemäß mit dem Zusatz sozialverträglich. In eine billigere Bahn und insgesamt eine „Mobilität der Zukunft“ müsse die SPD „alle mitnehmen“.

In Zeiten, in denen die Prozentzahlen der einstigen Volksparteien schneller schmelzen als die Polkappen, buchstabiert auch die CDU die K-Frage, neu, nicht als Frage nach der Kanzlerkandidatur, sondern nach der Klimarettung. Sie ist auch in dieser Runde das beherrschende Thema. Die Landkreis-Christdemokraten bieten zu ihrem Sommertermin so ziemlich alle auf, die bei Wahlen Stimmen gesammelt und seither eine Stimme haben: vom Kreistagsmitglied Helmut Noë bis zum Bundestagsabgeordneten Marc Biadacz.

Der Ort dieser Klimakonferenz ist das V 8-Hotel

Allerdings laden sie zu ihrer Klimakonferenz an einen denkwürdigen Ort, ins V8-Hotel auf dem Böblinger Flugfeld. Ortsfremde nehmen das Neubaugebiet ausschließlich als das wahr, wofür eine Leuchtreklame in lastwagenhohen Buchstaben wirbt: „Motorworld“. Links blitzen Bentleys, rechts röhren Lamborghinis, dazwischen werden Oldtimer restauriert. Trotzdem missversteht der Landtagsabgeordnete Paul Nemeth die Frage nach einer Zukunft für den V 8. Das Hotel werde es noch lange geben, sagt er, sein einziges Problem sei der Mangel an Köchen.

Zwar nicht direkt, aber im übertragenen Sinne ist die wirtschaftliche Zukunft des Landkreises fest verbunden mit der Zukunft des Achtzylinder-Motors in V-Form. Welche Bedeutung der Verbrennungsmotor hier hat, lässt sich am eindrücklichsten am Beispiel Sindelfingen verbildlichen. Selbst wenn alle arbeitenden Sindelfinger beim örtlichen Daimler-Werk beschäftigt wären, wäre der Bedarf an Arbeitsplätzen nicht gedeckt. Allein auf dem drei Millionen Quadratmeter großen Werksgelände arbeiten 35 000 Menschen.

Die Automobilproduktion in Deutschland ist um 9,3 Prozent zurückgegangen

Deren berufliche Zukunft verdunkelt sich derzeit. Gemäß der Statistik des Verbands der Automobilindustrie ist die Produktion von Pkw in Deutschland im vorigen Jahr um 9,3 Prozent zurückgegangen. Bemerkenswerterweise war die Luxusklasse davon nicht betroffen. Zumindest lokale Skeptiker werten die Insolvenz des Böblinger Automobilzulieferers Eisenmann als ein erstes Zeichen einer solchen Krise.

Selbst Porsche hat den Abschied vom Verbrennungsmotor verkündet. „Schon 2025 sollen mehr als 50 Prozent der Porsches mit Elektromotor fahren“, sagt Nemeth. Tatsächlich liegt das Ziel sogar bei 75 Prozent. Zwei Jahre später soll nur noch der 911er mit Benzinmotor angeboten werden. Auch Moroff, der CDU-Kreisvorsitzende, ist seit ein paar Wochen Mitglied der Mobilitätswende-Gemeinschaft. 4000 Euro Zuschuss vom Staat haben ihm den Kauf eines Elektroautos erleichtert.

Auch in Berlin „konzentriert sich die Diskussion im Moment sehr auf die Elektromobilität“, sagt der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz. Dies werde sich aber ändern. „Den Verbrennungsmotor wird es noch lange geben“, sagt Biadacz. Er werde künftig mit künstlichen Kraftstoffen befeuert. Deren Entwicklung habe die Bundesregierung im Blick. Der Anschein ist ein anderer. Auf ihrer entsprechenden Internetseite widmet die Regierung sich ausgiebig dem Lob der E-Mobilität und all ihrer Vorzüge. Künstlich produzierte Treibstoffe bleiben unerwähnt.