Ach, Politischer Aschermittwoch in Passau – a Kreiz is: Der CSU-Altstar Edmund Stoiber macht ausholende Anmerkungen. Der Parteichef Horst Seehofer steuert ein paar schlechte Witze bei.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Passau - Als die Passauer Stadtkapelle unter der bewährten Leitung von Herrn Wölfel in der neuerdings fast loungemäßig ausgeleuchteten Dreiländerhalle zum gefühlt sechsunddreißigsten Mal den üblichen Defiliermarsch blechbläserte, schauten sich Hans-Peter Friedrich und Peter Ramsauer in die Augen – und schienen nicht recht zu wissen, ob sie lachen oder weinen sollten. Der deutsche Innenminister sah mit einem weißblauen Schal um die Schultern noch ein wenig verkleidet aus, wie ein Faschingsrestposten, fast verwegen. Der deutsche Verkehrsminister hingegen trug Business-Blaumann, ohne Halsschmuck. Beide klatschten im Takt, schon seit Minuten, wie aufgezogene Spielzeugpuppen, und vermutlich murmelte jeder von ihnen innerlich für sich: „Ja, san mir deppert?“ Aber nach außen hin funktionierten die üblichen Reflexe. Friedrich und Ramsauer sahen sich auf die großen Leinwände projiziert. Prompt begannen sie zu strahlen. Passau – schee.

 

Ach, Politischer Aschermittwoch in Passau – a Kreiz is. Alle sagen, man kann ihn nicht ernst nehmen, aber dann schafft‘s das – ist doch weitgehend so! - politische Herumproleten doch wieder auf prominente mediale Plätze: in der Zeitung, im Radio, Fernsehen und im Internet. Und dann sagen einige: da könne man mal wieder sehen. Ob was dran ist?

Am Anfang reißt es heuer beifallsmäßig der Papst ein bisschen raus in Passau, der „größte Sohn Bayerns“, wie Edmund Stoiber gesagt hat, und das will schon was heißen, denn Bayerns größter Sohn war ja immer Franz-Josef Strauß. Anschließend hat sich die CSU, wie bei der Premiere nicht anders zu erwarten, ausführlich bei Joseph Vilsmaiers „Bavaria“-Film bedient, einer Gutwetter-Reiseorgie zu bajuwarischen Postkartenorten, die, wahrscheinlich nicht ganz im Sinne des Erfinders – mit FJS-Bonmots aus der Nibelungenhalle und Stoiber- wie Seehoferiana der jüngeren Aschermittwochshistorie verblendet wird. Manchmal ganz witzig, meist aber dumpf und dimpflig. Und sehr ausführlich. Prompt waren eineinviertel Stunden rum – und außer Einmarsch und Filmeschauen eigentlich noch nichts passiert.

Der Zündler in Stoiber ist dem Pragmatiker gewichen

Hernach der Ehrenvorsitzende. Edmund Stoiber ist wieder da. Unter anderem befeuert von seinem letztjährigen Erfolg, wo er wegen Seehofers Interimsphase als Bundespräsidenten-Stellvertreter noch einmal den alterswilden Mann spielen durfte, hatte man den Langzeitchef erneut als Vorgruppe gebucht. Mit ungefähr demselben Programm von Anno 2012, wie man sagen muss: Straußens furchtbar klemmender Ischiasnerv und wie er in der Nibelungenhalle seinerzeit gelitten hat, Passau als Ort der Passion – und mittendrin der Vertreter der Generation „70 plus, wie man heute sagt“, der einfach nicht zum Skifahren gehen kann, wenn ihn seine Partei ruft. Feuer hat Stoiber tatsächlich noch für drei – und laut persönlicher Einschätzung noch mehr als „der müde Haufen der Opposition in Bayern“.

Stoiber macht „übergreifende Anmerkungen“ , wie er selber sagt. Das geht sehr weit – von einem engagierten, ernst zu nehmenden Beitrag zur Mutter als der CSU willkommenen Erzieherin der Kinder (wenn sie will), bis hin zu Obamas „State of the Union“-Rede, Korea, solche Sachen. Großes Welttheater, ein bisschen FJS heute, viel Zeigefinger. Aber der Zündler in Stoiber ist – erfreulicherweise – dem Pragmatiker weitgehend gewichen. Früher wäre Stoiber unbarmherziger mit „dem Süden Europas“ in der Euro-Abrechnung umgegangen Nun bittet er um Verständnis. In Passau. Respekt! Womöglich, so der ehemalige CSU-Chef, sei dies „seine letzte, äh, also, eine der letzten Reden in Passau“. Man wird sehen. Eines hat sich nicht geändert: Heiserkeit ist immer noch sein Lohn.

Über die FDP wird in Passau geschwiegen

Was blieb Seehofer, „Superstar“ der CSU auch er, wie es auf etlichen Plakaten hieß. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Frage gleich selbst zu stellen. Was sollte er noch sagen? Schließlich steuerte er – hörbar schlecht bei Stimme, sichtlich nicht in Form – ein paar schlechte Scherze bei. Zu Peer Steinbrück („Motto: jedem das seine, mir das meiste“), zum Saarland („wenn man damit dem Rad unterwegs ist, was macht man da am Nachmittag?) und zu den regionalen Sozialdemokraten („Bayern und SPD passen nicht zusammen“). Seehofer war müde – und der Politische Aschermittwoch ist eh nicht seine Sache. Hier möchten die Leute nicht durch Sprunghaftigkeiten irritiert werden, sondern hätten die Welt vornehmlich gut aufgeteilt in Gut und Böse, Schwarz und Weiß.

Über diesen Punkt ist aber auch der polemisch sonst nicht unbegabte Seehofer weitgehend hinaus als Ministerpräsident. Dass er auf die sonst so beliebten Kopfnoten fürs Kabinett verzichtete („lieber XY, danke für deine herausragende Arbeit…“), hatte seinen Grund. Er hat es inzwischen mit einigen in seiner Mannschaft (vor allem mit Markus Söder) doch gründlich verdorben. Die Liberalen kamen im Übrigen nicht vor in Passau bei der CSU, nicht mit einem Wort. Wohl aber die finale Einschätzung, Bayern sei in seinem jetzigen, von Horst Seehofer geprägten Zustand, „die Vorstufe zum Paradies“. Das ist der Politische Aschermittwoch der Christsozialen in der Passauer Dreiländerhalle definitiv nicht.