Die Parteien im Südwesten haben an den Stammtischen den Wahlkampf eingeläutet. Die CDU geißelt die Finanzpolitik der Landesregierung. Die SPD rühmt ihren Kampf für die Bildungsgerechtigkeit, die FDP wettert gegen das „Chaos“ der Koalition.

Fellbach/Ludwigsburg/Karlsruhe - Die Stimmung in der Alten Kelter ist bestens. Der Saal ist übervoll, der Landesvorsitzende Thomas Strobl wird nicht müde zu betonen, dass 2000 Gäste zu Bier und Wein, zu Brezel und Weißwurst nach Fellbach (Rems-Murr-Kreis) gekommen sind, mehr als zu den Stammtischen aller anderen Parteien im Südwesten zusammen.

 

Nach der paralysierenden Schlappe bei der Landtagswahl beschwört Strobl vor der Bundestagswahl das Selbstbewusstsein der Landes-CDU. „Wir sind ein stolzer kampferprobter Landesverband und wir sind fest entschlossen, möglichst viele Stimmen zu bekommen“, macht er seinen Parteifreunden Mut. Heftig geht er mit der grün-roten Landesregierung ins Gericht. An der Finanz- und Bildungspolitik lässt er kein gutes Haar. Der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rede zwar viel von Nachhaltigkeit, sehe aber in zwei Jahren 3,5 Milliarden Euro neuer Schulden vor. Wer den Etat nicht ausgleiche, schade der folgenden Generation. „Wir werden diesen Leuten nicht auch noch den Bundeshaushalt überlassen“, rief Strobl unter dem Applaus der Gäste. Er forderte Kretschmann auf, der Klage Bayerns und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich beizutreten.

Grüne und Rote nicht die Zukunft

Nachdrücklich warnte er vor der Vernachlässigung von Haupt- und Realschulen. Die breite Einführung der Gemeinschaftsschule werde zu höherer Nachfrage nach Privatschulen und damit einer Spaltung der Gesellschaft führen. Grüne und SPD hätten in der Bildungspolitik abgewirtschaftet. „Wer auf dem zentralen Feld versagt, versagt auf ganzer Linie“, wetterte Strobl und bekam mächtigen Beifall für die Folgerung: „Grüne und Rote sind nicht die Zukunft für Baden-Württemberg.“

Regelrecht „Angst um die Zukunft unseres Landes“ bekommt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der umjubelte Stargast in Fellbach, wenn er die Bildungspolitik Baden-Württembergs betrachtet. Er jedenfalls will mit einem guten Ergebnis der CDU im Bund, „die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Grün-Rot eine Episode in Baden-Württemberg bleibt“.

In einer mehr als einstündigen von mehrfachem Beifall unterbrochenen Grundsatzrede unterstrich Schäuble die Erfolge der Berliner Koalition. Aus der „gefährlichsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit“ sei Deutschland gestärkt hervorgegangen. Das sei nicht zu unterschätzen und das habe die CDU erreicht. Deutschland nannte er „den Stabilitätsanker und die Wachstumslokomotive in Europa“, das einzige Land der EU, in dem Jugendarbeitslosigkeit kein Problem sei. Diese Politik der Stabilität wolle die CDU fortsetzen „zum Wohle der Menschheit“. Auch der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hätte gerne solche Erfolge erzielt, als er Finanzminister war, ätzte Schäuble. Aber Steinbrück habe sich nicht einmal gegen seine eigenen Genossen durchsetzen können. „Einmal neidappt langt“, befand Schäuble mit Blick auf den Herausforderer.

SPD gibt sich selbstbewusst und siegessicher

Am 22. September 2013 wird die neoliberale Welt der Schwarz-Gelben untergehen“, prophezeite Manuela Schwesig, die stellvertretende Parteivorsitzende und Ministerin für Arbeit, Soziales und Gleichstellung in Mecklenburg-Vorpommern, beim politischen Aschermittwoch im Forum. Der Gast aus dem Norden, den die Stadtkapelle Ludwigsburg/Musikverein Oßweil mit dem geografisch nicht ganz astreinen, dafür aber umso schmissigeren Marsch „Gruß an Kiel“ begrüßt hatte, begeisterte rund 400 Genossen mit ihrem flammenden Plädoyer für mehr soziale Gerechtigkeit und gleiche Bildungschancen. Schwesig – von der die SPD-Generalsekretärin Katja Mast zuvor verraten hatte, dass sie soviel Milch in ihren Kaffee gießt, „dass man das Schwarze nicht mehr sieht“ – lobte die Schwaben für ihren Mut, „ein Nordlicht wie mich“ ans Rednerpult geholt zu haben.

Sie schien die Anwesenden nicht zu enttäuschen: ihr Appell für einen engagierten Wahlkampf wurde mit stehenden Ovationen belohnt. Ebenso ihr Aufruf an die Wähler, sich „zwischen Haltung und Halbherzigkeit“ zu entscheiden. Schließlich laute Merkels Motto für 2013 „ich regiere das Volk ins Koma“. Sollte die Kanzlerin sich entschließen, Politik zu machen, sei das endlich ein „echter Strategiewechsel“.

Freche Volten gegen schwarz-gelbe Bundesregierung

Doch nicht nur die Bundeskanzlerin, deren eigentlicher Wille das „bestgehütete Geheimnis der Bundesrepublik sei“ und Schwarz-Gelb bekamen ihr Fett ab. Durch die „FDP-Nachwuchshoffnung“ Rainer Brüderle sei kürzlich die Sexismus-Debatte losgetreten worden. Für Manuela Schwesig liegen die Gründe auf der Hand: „Der Frauenmangel in der Partei ist so akut, dass sie den Verstand verlieren, wenn abends eine Frau an der Bar steht.“

Auch die CDU-Familienministerin Kristina Schröder wurde nicht geschont: mit dem Unschreiben von Kinderbüchern – Stichwort: das Gott – habe sie endlich einmal ein Problem gelöst, das den Familien im Land unter den Nägeln brenne. Mit der SPD sei dagegen klar, dass die zwei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld – Schwesig nannte das eine „Fernhalteprämie von Zukunftschancen für Kinder“ – konsequent in den Ausbau von Kindertagesstätten gesteckt würden. „Für uns sind das Bildungseinrichtungen und keine Aufbewahrungsorte“, bekräftigte sie.

Das Thema Bildung lag auch dem Parteivorsitzenden, Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid, am Herzen: „Wir lassen uns unsere Bildungspolitik nicht kaputtreden“, sagte er. Die SPD habe in ihrer langen Parteigeschichte früh erkannt, dass der Zugang zu Bildung über Lebenschancen entscheide. Schmid versprach mehr Bildungsgerechtigkeit, er wolle Baden-Württemberg zum „Musterland für gute Arbeit“ machen. Der Wahlsieg scheint gewiss: die SPD werde „die größte Nichtregierungsorganisation, nämlich die Koalition in Berlin“ ablösen. Angesichts der jüngsten SPD-Wahlerfolge in den Bundesländern sei Merkel längst eine „Königin ohne Land“.

Die FDP befürchtet, dass die grün-rote Regierung in der Bildungspolitik größten Schaden anrichtet. „Sie will dort keinen Stein mehr auf dem anderen lassen“, warnte Fraktionsvorsitzender Hans-Ulrich Rülke beim politischen Aschermittwoch in Karlsruhe. Ziel sei, das Gymnasium zu schleifen und die Gemeinschaftsschule als einzige Schulform zu etablieren. „Das müssen wir verhindern.“

FDP polemisiert gegen grün-rote Bildungspolitik

Auch in anderen Politikfeldern gebe die Landesregierung ein chaotisches Bild ab. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wechsle immer wieder seine Meinung etwa beim Länderfinanzausgleich oder dem Flug- und dem Steuerabkommen mit der Schweiz. Damit verdiene er sich den Namen „Winfried Kreiselmann“, sagte Rülke. Auch bei der Energiewende bleibe das Land weit hinter seinen Ansprüchen zurück. Im vergangenen Jahr seien gerade mal neun Windräder aufgestellt worden. Das bewege sich auf dem Niveau der Amtszeit von CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) habe offensichtlich „eine Mobilitätsallergie“. Er wolle weder beim Bahnprojekt S 21, im Straßenbau noch bei Wasserstraßen den Ausbau vorantreiben. „Hätte Kolumbus Herrn Hermann an Bord gehabt – Amerika wäre heute noch nicht entdeckt.“ Die FDP stehe dagegen fest zur Verlegung des Stuttgarter Bahnhofs unter die Erde und den Bau einer zweiten Rheinbrücke bei Karlsruhe.