Der Mord an einer Reporterin in Bulgarien wirft Fragen auf. Sie stand wegen ihres Enthüllungsmagazins unter Druck.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Sofia - Wurde Wiktorija Marinowa zum zufälligen Opfer eines grausamen Verbrechens, oder wurde der 30-jährigen Reporterin des privaten TV-Senders TVN ihr Journalistenberuf zum Verhängnis? Alle Spuren würden verfolgt, versicherte am Wochenende ein Sprecher der Polizei in der nordbulgarischen Donaustadt Ruse. Die besten Ermittler des Landes seien auf den Fall angesetzt, verspricht Bulgariens Premier Bojko Borissow.   Vermutlich war die junge Reporterin am Samstag zur Vorbereitung auf einen Stadtlauf beim Joggen unterwegs, als sie von ihrem Mörder in einem Park mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen, vergewaltigt, erwürgt und ausgeraubt wurde. Nach der Malteserin Daphne Caruana Galizia und dem Slowaken Jan Kuciak ist Marinowa die dritte Journalistin in der EU, die innerhalb eines Jahres ermordet wurde.

 

Im Ranking der Pressefreiheit liegt Bulgarien auf dem 111. Rang

Lange Zeit hatte Marinowa bei dem TV-Sender eine Livestylesendung moderiert, doch vor einigen Monaten die Leitung des Enthüllungsmagazins „Detector“ übernommen. In ihrer letzten Sendung hatte sie zwei Enthüllungsjournalisten aus Rumänien und Bulgarien interviewt, die mit ihren Recherchen über den Missbrauch von EU-Fördergeldern durch einen Baukonzern in Bulgarien kräftig Wirbel gemacht hatten.

Noch ist der Hintergrund des brutalen Mords an Marinowa nicht aufgeklärt. Sicher ist, dass es nirgendwo in der EU so schlecht um die Pressefreiheit bestellt ist wie in dem Balkanstaat. Im jüngsten Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen rangiert das EU-Mitglied hinter Bolivien und knapp vor Zentralafrika auf dem 111. Rang. Die Drohungen und Attacken gegenüber Journalisten hätten sich in den letzten Monaten „intensiviert“, konstatierte die Organisation im August: „Es kann sich als gefährlich erweisen, ein Journalist in Bulgarien zu sein.“   Tatsächlich sehen sich Journalisten in dem Balkanstaat schon seit Jahren wüsten Drohungen und Attacken ausgesetzt. Bei einer Untersuchung zum Zustand von Bulgariens Pressefreiheit im vergangenen Jahr erklärten 92 Prozent der befragten Journalisten, dass „politischer Druck“ ein „übliches Phänomen“ in der weitgehend von Oligarchen kontrollierten Medienlandschaft Bulgariens sei.