Politischer Streit in Leonberg Wir brauchen keine Berliner Verhältnisse
In der Kommunalpolitik sind Ideologie und Machtkämpfe fehl am Platz, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
In der Kommunalpolitik sind Ideologie und Machtkämpfe fehl am Platz, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Fast könnte man meinen, die Welt gerät ein Stück weit aus den Fugen: So dramatisch sind die Nachrichten, die in diesen Tagen in kurzer Folge über uns hereingebrochen sind. Trump, der alte neue starke Mann in den USA. Deutschland mit einer gerupften und flügellahmen Regierung, dazu ein ungewisser Blick in die Zukunft. Wen interessiert da noch die die Politik vor der eigenen Haustür?
Doch sie findet gleichwohl statt, und funktioniert zumeist besser als jene in der fernen Hauptstadt. Nun ist in der kommunalen Familie Leonberg in den vergangenen zwei Jahren nicht eben das Musterbeispiel für eine geräuschlose wie effiziente Kommunalpolitik gewesen. Zu sehr lähmt das Zerwürfnis zwischen dem Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) und seiner Stellvertreterin Josefa von Hohenzollern (FDP). Seit mehr als 16 Monaten ist die resolute Bayerin im Zwangsurlaub. Warum das so ist, bleibt nach wie vor im Dunkeln. Die Verwaltungsspitze ist dezimiert, das Verhältnis zwischen Gemeinderat und Oberbürgermeister war eine geraume Zeit frostig.
Cohn selbst war es, der mit seinem frühzeitig kommunizierten Verzicht auf eine erneute Kandidatur für ein gewisses Tauwetter gesorgt hat. Die Stimmung im Gemeinderat ist seither ein wenig entspannter. Das war auch den politischen Erklärungen im Rahmen der Haushaltsberatungen anzumerken. Die Kritik am OB hielt sich im Rahmen. Lediglich der Leonberger CDU-Chef Oliver Zander erneuerte seine Rücktrittsforderung an den Verwaltungschef, ebenso wie die an Josefa von Hohenzollern. Nur wenn beide gingen, so meint Zander, sei ein echter Neuanfang möglich.
Ob diese Einschätzung zutreffend ist, wird sich erst zeigen, wenn das Regierungspräsidium als Kommunalaufsicht und die ebenfalls ermittelnde Staatsanwaltschaft irgendwann einmal Licht ins Dunkel um die gegenseitigen Vorwürfe der beiden Spitzenleute bringen. Die Befürchtung, dass der Schwebezustand bis zur OB-Wahl im September des kommenden Jahres andauern könnte, wird mit jedem Tag wahrscheinlicher.
Eigentlich hätte das neue Stadtoberhaupt parallel zur Bundestagswahl bestimmt werden sollen. Diese wird nun bereits im Frühjahr stattfinden. Schon werden erste Stimmen laut, wonach die Leonberger OB-Wahl dem neuterminierten bundesweiten Urnengang angeglichen werden soll. Viel würde bis dahin in der Stadt nicht mehr passieren.
Ob das eine realistische Option ist, sei dahingestellt. Wenn ja, müssten sehr schnell Bewerberinnen und Bewerber gefunden werden. Angesichts der knappen Zeitschiene ein eher unwahrscheinliches Szenario.
Umso wichtiger ist es, dass jetzt im Gemeinderat die Hausaufgaben gemacht werden: Ein Haushalt, der nicht mit der heißen Nadel gestrickt ist, muss beschlossen werden. Die wichtigen Aufgaben – von der Platznot in den Schulen bis zum fehlenden Wohnraum – müssen gelöst werden. Keinen Aufschub duldet zudem eine gute Lösung für das Bürgeramt. Ob die im Leo-Center zu finden ist, scheint allein schon angesichts einer offensichtlich fehlenden Mehrheit im Gemeinderat unwahrscheinlich. Wobei Horst Nebenführ durchaus zuzustimmen ist: Der FDP-Fraktionsvorsitzende warnt davor, diese Frage mit „Denkverboten und ideologischen Ausschlüssen“ anzugehen.
Gewiss: Die Kosten für die Stadt müssen im Rahmen bleiben. Und ob das Untergeschoss im ehemaligen Karstadt so gestaltet werden kann, dass eben kein Kellereffekt entsteht, ist ungewiss. Andererseits gibt es genügend Beispiele aus anderen Städten, wo kommunale Servicestellen in Handelszentren sehr gut funktionieren. Deshalb ist es klug, auch dieses Thema mit Sachlichkeit zu betrachten – eben ohne Denkverbote.