Europa muss vorankommen – doch Berlin trägt dazu zurzeit wenig bei, weil der Fokus derzeit auf den Jamaika-Verhandlungsrunden liegt. Bei Maybrit Illner diskutierten Vertreter der drei Parteien das Thema.

Berlin - Brexit, Katalonien, Flüchtlingsdruck – Europa steht vor einem Berg drängender Problemen. Doch seine größte Nation ist erstmal mit sich selbst beschäftigt und sucht den Weg nach Jamaika. Drei der Berliner Unterhändler finden sogar die Zeit, in der Nacht zum Freitag beim Polittalk von Maybrit Illner vorbeizuschauen. Was Ursula von der Leyen (CDU), Cem Özdemir (Grüne) und Christian Lindner (FDP) dort zum Besten geben, klingt allerdings nicht nach bahnbrechenden Erkenntnissen oder gar Beschlüssen zur Frage, wie Europa vorankommen soll. Man sollte, man müsste ...

 

Tausendmal gehört, tausendmal ist nichts passiert. Zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage. Zugegeben, dass Deutschland ein Einwanderungsgesetz braucht, um neue Arbeitskräfte nicht mit dem Asylrecht zu rekrutieren, sagt mittlerweile auch die Union. Aber dass man in Afrika Fluchtursachen bekämpfen muss, mag man schon nicht mehr hören – so richtig das auch ist. Undeutlich bleibt auch, wie die Koalitionspartner in spe mit den Reformvorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron umgehen wollen. „Ich bin offen“, bekennt die geschäftsführende Verteidigungsministerin Von der Leyen. Doch wie immer folgt ein großes „Aber“. Deutschland dürfe nicht die Schulden der übrigen Staaten übernehmen.

FDP-Chef Lindner ist da natürlich an ihrer Seite – hatte doch Macron schon vor der Wahl geunkt, wenn sich Kanzlerin Angela Merkel mit den Liberalen verbünde, sei er „tot“. „Europa gewinnt nicht an Zustimmung, wenn wir versuchen, die Zustimmung zu kaufen“, befindet Lindner und bezeichnet die finanzpolitische Eigenverantwortung jedes Mitgliedslands als „rote Linie“. Ein eigenes Budget für die Eurogruppe? Njet. Alles wie gehabt. Und die Grünen? „Wir sind nicht die Pressesprecher von Macron, aber er nötigt mir Respekt ab“, sagt Parteichef Özdemir. Die nächste Regierung müsse endlich auf Macron antworten. Details will er lieber hinter verschlossenen Türen beraten.

Niemand wagt sich aus der Deckung

Irgendwie brauche man auch eine gemeinsame Armee, ist sich die Runde einig. Die Nato-Schelte von US-Präsident Donald Trump sei ein „Weckruf“ gewesen, sagt Von der Leyen. Özdemir plädiert dafür, die Kapazitäten beim Waffenbau zusammenzulegen („wir haben 17 verschiedene Kampfpanzer“). Doch auch hier bleibt alles im Ungefähren. Niemand wagt sich aus der Deckung.

Wenn dann doch einmal ein außergewöhnlicher Vorschlag kommt wie vom früheren Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner, bügelt man das schnell wieder ab. Man müsse das Europabewusstsein stärken, forderte der Südtiroler, der für die Grünen einst im Europaparlament saß. Zum Beispiel, indem ein Teil der Abgeordneten europaweit gewählt wird. Özdemir findet das zwar eine Supersache („Das fordern wir gerade in Jamaika“), doch der Rest der Runde runzelt die Stirn. „Transnationale Listen bringen nichts“, konstatiert der Historiker Heinrich August Winkler. Er wisse auch gar nicht, wie solche Abgeordneten in engen Kontakt zu ihren Wählern treten sollten. Als ob den Bürger ihre aktuellen Europaparlamentarier bekannt seien...

So wird Europa einstweilen weiter warten müssen auf die Deutschen. Und irgendwie hat man den Eindruck, dass die ganz zufrieden sind mit dem, was gerade ist.