Die Polizeireform war eines der größten Projekte der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg. Mit dem Kraftakt hat der Innenminister Gall die Polizei am Ende gestärkt, analysiert der StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - So hatte sich Grün-Rot den Politikwechsel vor fünf Jahren nicht vorgestellt. Man wollte den Bürgern ein freundliches Gesicht zeigen, die Grünen erklärten die im Diskurs zu sich selbst findende Zivilgesellschaft zum Leitbild einer emanzipativen Politik, die SPD versprach gerechten Lohn für gute Arbeit, und gemeinsam freuten sich die Koalitionäre, dass in Baden-Württemberg endlich einmal ohne die CDU regiert werden konnte.

 

Fünf Jahre später verlangt die politische Großwetterlage Grün-Rot eine andere, freudlosere Politik ab. In der Flüchtlingskrise verteidigt Ministerpräsident Winfried Kretschmann zwar das Asylrecht, das für sich genommen keine Obergrenzen und keine Kontingentierung kennt, aber sein Ton ist kühler geworden; die Grünen stellen in der Flüchtlingspolitik notgedrungen viele ihrer Grundsätze in Frage.

Die Grünen müssen umdenken

Ebenso verhält es sich mit der inneren Sicherheit. Angesichts von islamistischen Terrorakten, Schlägereien in Flüchtlingsunterkünften und dem Wiedererstarken rechtsradikaler Stimmungen in der Gesellschaft müssen die Grünen umdenken. Sozialisiert im Bemühen um die Domestizierung des starken Staates, sind sie nun gehalten, eben diesen aufzupäppeln. Dass eine Landtagsfraktion der Grünen, wie zuletzt geschehen, eine Erhöhung der Polizeidichte verspricht, ist schon denkwürdig. Und die Vorsitzende eben jener Fraktion, Edith Sitzmann, wäre heute wohl froh, wenn sie niemals davon geredet hätte, dem Verfassungsschutz die Hälfte seiner Personalstellen zu streichen.

Innenminister Reinhold Gall ist in dieser Hinsicht schon von Amts wegen anders gewickelt. Dass er nach den Pariser Attentaten bereits zwei Antiterror-Pakete aufgelegt hat, war der aktuellen Sicherheitslage geschuldet. In anderer Sache wurde er jedoch eigenständig aktiv: bei der Polizeireform, zu welcher der Verwaltungswissenschaftler Joachim Jens Hesse jetzt ein überaus positives Ergebnisgutachten ablieferte. Mit der Reform habe die baden-württembergische Polizei eine Führungsrolle in Deutschland übernommen, urteilt Hesse.

Die Zielrichtung der Reform war richtig

Zwar handelt es sich um ein Auftragsgutachten, doch Hesse ist ein Wissenschaftler mit großem Renommee, an dessen Bewertung die Opposition nur schwer vorbeikommt. Auch wenn CDU und FDP an ihrer Scharfrichterrhetorik gegen die Polizeireform festhalten: den Stoff für einen Wahlkampfschlager gibt sie nicht mehr her. Innenminister Gall musste bei der Umsetzung Rückschläge hinnehmen – man denke nur an die juristische Schlappe beim ersten gescheiterten Versuch der Bestellung der Polizeipräsidenten. Auch mag es tatsächlich so sein, dass in einigen Fällen die Polizei länger auf sich warten lässt, weil jetzt die Fachleute aus größerer Entfernung zum Verkehrsunfall kommen und nicht mehr die Generalisten.

Die Zielrichtung der Reform hat sich indes als richtig erwiesen: Sie ermöglicht mehr Personal zur Bekämpfung neuer Kriminalitätsformen (etwa im Internet), schlagkräftigere Einheiten und mehr Stellen für die Polizeireviere. Laut Innenministerium konnten aus der Reform 378,5 Stellen für die Polizeireviere im Land abgeschöpft werden. Daran gemessen entpuppt sich die Argumentation der Opposition, die Reform gehe zu Lasten der Polizeiarbeit vor Ort, als unseriös. Ja, es gibt nicht mehr in jeder Kreisstadt eine Polizeidirektion. Aber das ist vielleicht eher ein Problem für Landräte, weniger für die Bürger.

Der Sozialdemokrat Gall setzte 2011 die größte Reform in der Geschichte der Landespolizei aufs Gleis, lange vor dem Kältesturz in der Politik. Er bewies dabei Mut und ein beträchtliches Maß an Durchsetzungsvermögen. In der grün-roten Leistungsbilanz gehört diese Reform zu den herausragenden Kraftakten. Schon jetzt ist sicher: sie würde auch einen Regierungswechsel in weitesten Teilen überdauern.