Mitten im geschäftigen und kriminalitätsträchtigen Untergrund der Klett-Passage liegt der Polizeiposten seit über zehn Monaten im Dornröschenschlaf. Der Umbau ist längst fertig – doch der Posten erstickt im Müll. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Dafür braucht es eigentlich keinen Polizeiposten: „In dringenden Fällen wählen Sie bitte 110“, steht da auf dem Zettel an der Eingangstür. Der Posten in der Klett-Passage sei „derzeit noch“ wegen Umbauarbeiten geschlossen. Derzeit noch – das heißt inzwischen fast ein ganzes Jahr. Dabei gibt es viel zu tun im Untergrund am Hauptbahnhof: Mehr als 80 Straftaten in einem Monat, das Sicherheitsgefühl leidet.

 

„Wir würden ja gerne wieder öffnen“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach, „doch das geht aus technischen Gründen nicht.“ Das ist zurückhaltend beschrieben. Vielmehr stinkt es den Beamten und auch der Polizeiführung, dass die neu eingebaute Lüftungsanlage nicht funktioniert – auch weil der Vermieter der Räumlichkeiten nicht mitzieht. Im Juni war die Polizei ausgezogen, dann hatte sich alles hingezogen. Im Sommer hatten die Handwerker keine Zeit, im Oktober hoffte man, im Februar alles installiert zu haben. Und jetzt, da alles fertig zu sein scheint, wird das eigentliche Problem ganz woanders gefunden – und es liegt außerhalb, im Netzwerk der Passage.

Polizei wunderte sich früh über stickige Luft

Schon 1992, als die Polizei im Untergrund einzog, hatten sich die Beamten über die stickige Luft gewundert. Vor allem im Sommer sei es immer wieder unerträglich gewesen, wie sich der erste Postenführer erinnert. 24 Jahre später wollte das Land mit einer modernen Lüftungsanlage für Abhilfe sorgen. Nun stellt sich heraus: Die Abluft kann die Räumlichkeiten gar nicht verlassen. Und hat dies offenbar auch nie gekonnt. Weil das entsprechende Rohrsystem offenbar seit vielen Jahren verstopft ist. „Mit kiloweise Müll, der teils schon kompostiert ist“, sagt Dirk Kaupa vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, „entsprechend riecht es eher wie in einem Abwasserrohr“.

Die Ursache wird einige Meter außerhalb des Postens vermutet. Genauer: Oberhalb der Rampe am Nordausgang des Hauptbahnhofs. Dort befinden sich in einer Pflanzenrabatte drei blecherne Pilze – Abluftkamine der Passage. Kaupa, der in dieser Sache so etwas wie ein Fahnder der Bauverwaltung geworden ist, hat mit seinen Leuten entdeckt, dass einer der Schächte vor Jahren von oben als Müllschlucker missbraucht wurde. Aus Müll wurde stinkende Schlacke.

Die Kommunikation mit dem Vermieter war auch verstopft

Freilich ist das Land nur Mieter. Und kann nicht einfach die Rohrsysteme der Klett-Passage freilegen. Doch die Kommunikation mit dem Vermieter scheint ebenfalls verstopft. Die LBBW Immobilien Management GmbH winkt ab: „Das Land hat 1991 eine Ladeneinheit in Eigenregie zu einem Polizeiposten umgebaut“, sagt Pressesprecherin Brigitte Reibenspies, „für die Wartung und Instandsetzung der vom Mieter neu eingebauten technischen Anlagen ist ausdrücklich nicht der Vermieter, sondern der Mieter zuständig.“

Sollte der Posten je wieder eröffnet werden, muss sich die Polizei freilich auch Gedanken um ihr Konzept machen. Zuletzt waren die Beamten nur zu dritt – und damit schnell vom Publikumsverkehr überfordert. Dabei gibt es viel zu tun. Im Januar und Februar gab es spektakuläre Fälle von Raub, Gewalt, Drogen- und Sexualdelikten.

Ständige Streifen sind bis auf weiteres gewährleistet

Polizeisprecher Keilbach betont, dass sich die Polizei mit ausreichenden Kräften um die Umtriebe in der Passage kümmert. Dafür sei vor allem die Sondertruppe Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS) mit 20 Mann zuständig. So seien ständige Streifen gewährleistet. Bis auf Weiteres jedenfalls.

Auf eigene Faust hat Bauverwaltungs-Fahnder Kaupa derweil den ersten Dreck aus einem Schacht absaugen lassen. Bei einer weiteren Aktion am Dienstag wurde jedoch festgestellt: Das Problem sitzt tiefer im Röhrensystem. Also hilft nur noch der Luftröhrenschnitt. Ein Rohr wurde gekappt, die Abluft wird jetzt direkt in die Passage gepumpt. „Dafür“, stellt Kaupa fest, „könnte die Polizei jetzt wieder einziehen.“