Das Videoteam der Autobahnpolizei hat im Raum Karlsruhe seit Anfang des Jahres mehr als 900 Verstöße aufgedeckt. Immer wieder gibt es Probleme, besonders auf einigen Abschnitten der Autobahnen 5 und 8.

Karlsruhe - Der tödliche Unfall an einem Stau vor einer Baustelle auf der A 5 bei Karlsruhe, bei dem am Mittwoch der 59 Jahre alte Beifahrer eines Kleinlasters starb, lässt nicht nur Rufe nach einer stärkeren Kontrolle von Lastwagenfahrern laut werden, sondern rückt auch die Rettungsgasse in den Fokus. Denn Verstöße gegen das Gebot zur Bildung einer Rettungsgasse häufen sich. So hat die Verkehrsüberwachung des Polizeipräsidiums Karlsruhe allein am Mittwoch 58 Autofahrer festgestellt, die sich nicht an der Bildung einer freien Gasse für die Polizei- und Hilfsfahrzeugen beteiligt haben. Sie müssen nun, ebenso wie ertappte Schaulustige auf der Gegenfahrbahn, mit einer Anzeige rechnen. Drei Autofahrer erhalten außerdem ein einmonatiges Fahrverbot, weil sie ihren Wagen so abgestellt haben, dass er im Weg stand.

 

Seit Anfang 2018 gab es gut 900 Verstöße

Auf der A 8 ertappten die Beamten 96 Fahrer, welche die Rettungsgasse nicht frei machten, wobei dort sechs Fahrer den Verkehr behinderten. Sie erhalten zwei Punkten in der Flensburger Kartei, außerdem müssen sie eine Geldstrafe von 240 Euro bezahlen und einen Monat lang auf ihren Führerschein verzichten. „Ein Autofahrer hatte sich sogar in der Rettungsgasse auf seinem heruntergelassenen Fahrersitz zum Schlafen abgelegt und musste von Polizeibeamten geweckt werden“, berichtet die Polizei.

Seit Anfang des Jahres hat das Videoteam der Autobahnpolizei Karlsruhe mehr als 900 solcher Verstöße erfasst. Mit im Team: Frederic Römer. Der Polizist baut am liebsten auf den Überraschungseffekt. Zusammen mit seinem Kollegen Jens Schmittner verfolgt er die Autos links und rechts der Mittelspur, die bei Stau eigentlich als Rettungsgasse frei zu halten wäre – und häufig blockiert wird. Ausgerüstet mit Notizblock und Videokamera notiert er dann die Uhrzeit und das Kennzeichen, und hält die Fahrer der Autos, die er im Visier hat, mit Foto im Profil fest. „Bei Verstößen gegen die Rettungsgasse gibt es noch keine Halterhaftung“, sagt der Oberkommissar Römer, also muss er auch die Fahrer identifizieren. Fest installierte Kameras an der Front- und der Heckseite liefern zusätzliche Beweisfotos.

Die Polizei ist bei Kontrollen nicht inkognito unterwegs

Bei kilometerlangen Staus geht oft stundenlang gar nichts mehr voran. Autos stehen dicht an dicht. Die beiden Beamten fahren stets in einem Zivilfahrzeug in die Rettungsgasse hinein. „Wir fahren mit aufgesetztem Blaulichtsignal und Warnblinkanlage in die Gasse“, erläutert der Hauptkommissar Jens Schmittner. Das ist alles andere als inkognito. Trotz der Warnsignale erkennen Autofahrer, die die Trasse blockieren, oft erst im letzten Moment das von hinten nahende Polizeifahrzeug, eine graue Limousine mit Münchner Kennzeichen. Dann ist es meist zu spät – eine Verwarnung wird fällig, mitunter ein Fahrverbot.

Einsatzkräfte beklagen die Situation seit Jahren: Rettungsdienste, Polizei, Feuerwehr oder auch dringend benötigte Bergungsfahrzeuge kommen häufig nicht schnell genug zu einer Unfallstelle – und das nur, weil rücksichtslose Autofahrer die Gasse zwischen den Fahrspuren versperren oder regelrecht „zuparken“. Unbedarftheit, Interesselosigkeit, Unkenntnis – das sind laut Lothar Batschauer die häufigsten Gründe, warum das Gebot zur Bildung einer Rettungsgasse missachtet wird.

Das Problem der blockierten Rettungsgasse ist alt

Batschauer ist der Chef des Autobahnpolizeireviers Karlsruhe, das Teile der Autobahnen 5 und 8 kontrolliert und das seit gut sechs Monaten schwerpunktmäßig mit dem Thema befasst ist. Acht Videofahrer und zwei Zivilfahrzeuge zählt sein Team. Das Problem selbst ist alt: „Rettungsgassen sind zu bilden bei stockendem Verkehr“, sagt der Revierleiter. Doch erst seit die Straßenverkehrsordnung im vergangenen Oktober entsprechend angepasst wurde, kann ein Vergehen verfolgt werden. Von den 900 Verstößen, die die Videofahrer im Raum Karlsruhe seit November registriert haben, hätten zehn Fälle jeweils zwei Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot zur Folge gehabt, berichtet der Polizeibeamte Frederic Römer.

Ein Vorteil der Videoaufnahmen in der Rettungsgasse: Man könne über einen längeren Zeitraum die entstehende Behinderung oder die Gefährdung im Bild dokumentieren, sagt der Revierleiter Batschauer. Die Auswertung ist aufwendig: „Für eine halbe Stunde Videoaufzeichnung brauche ich drei Stunden, um Bilder zu bearbeiten, zu schneiden, mit handschriftlichen Aufzeichnungen abzugleichen“, sagt Frederic Römer. Allen Erfolgen zum Trotz, mitunter ist die Aufgabe auch für ihn ernüchternd: „Sobald wir mit dem Kontrollfahrzeug durch sind, schließt sich die Gasse wieder“, sagt er. Weitere Aufklärung tut also not.