Die Ermittlungsbehörden haben bei Hausdurchsuchungen viel Beweismaterial gegen die vier 15- bis 18-jährigen Tatverdächtigen gefunden. Dem Quartett wird unter anderem versuchte räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und Bedrohung vorgeworfen. Die Polizei sucht noch nach dem Motiv.

Ludwigsburg: Andreas Hennings (hen)

Es klingt wie Szenen aus einem Film, doch sie sind Realität: Vier Teenager gehen in einer Reihenhaussiedlung unter freiem Himmel auf einen 18-Jährigen los. Bei der Tat im Görlitzer Weg in Bietigheim-Bissingen schlagen und treten sie auf den jungen Mann ein, fordern von ihm Bargeld und sein Handy. Dass die vier Angreifer plötzlich von ihm ablassen, ist – wie es die Polizei später formuliert – nur dem Umstand geschuldet, dass ein Geräusch zu hören ist. Mutmaßlich weil sie befürchten, erwischt zu werden, flüchten sie ohne Beute. Der 18-Jährige, der bei der Tat leicht verletzt wird, verständigt die Polizei.

 

Passiert ist das vor drei Wochen am Samstagabend des 4. Februar. Und nur vier Tage später am Mittwoch ruft eine weitere Tat der vier Teenager im Alter von 15, 17, 18 und 18  Jahren die Polizei auf den Plan. Diesmal in keine Straße und in kein Wohngebiet, sondern in die Realschule in Tamm. Die hatten die vier Teenager gegen 11.30 Uhr betreten, um erneut den 18-Jährigen aufzusuchen, auf den sie es schon vier Tage zuvor abgesehen hatten. Bei sich haben sie diesmal: Messer und Schlagwerkzeuge.

Ein Schüler wird geschlagen, ein Lehrer massiv bedroht

Ihre Suche nach dem Schüler bleibt erfolglos. Der 18-Jährige befindet sich glücklicherweise im Unterricht, die vier Jugendlichen kommen nicht an ihn heran. Im Schulgebäude rennen die vier Angreifer stattdessen auf einen 16-jährigen Schüler zu, schlagen ihm ins Gesicht. Und darüber hinaus soll einer der Tatverdächtigen einen 35 Jahre alten Lehrermassiv bedroht haben, der ihnen entgegengetreten war. Mit dem Polizeieinsatz beruhigt sich die Lage. Zumindest kurzzeitig. Denn noch am selben Tag erhält der 16-jährige Schüler, der ins Gesicht geschlagen worden war, einen Anruf des 17-jährigen Tatverdächtigen. Dabei soll der Anrufer den Jugendlichen, der bei der Polizei eine Aussage gemacht hatte, bedroht haben.

An diesem Freitag teilten das Polizeipräsidium Ludwigsburg und die Staatsanwaltschaft Heilbronn nun gemeinsam mit, dass die vier Tatverdächtigen festgenommen wurden und in Untersuchungshaft sitzen. Ihnen wird unter anderem eine gemeinschaftlich versuchte räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und Bedrohung vorgeworfen.

Hausdurchsuchungen bringen Beweise

Bereits einen Tag nach der Tat in der Realschule, am 9. Februar, war es laut Mitteilung den Ermittlern gelungen alle vier Tatverdächtigen „zweifelsfrei zu identifizieren“. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn wurden daraufhin Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle beim Amtsgericht erwirkt. Bei den Durchsuchungen wurde „diverses Beweismaterial wie Waffen sowie mutmaßliche Tatkleidung“ gefunden. Das führte jetzt zur Festnahme der vier Teenager. Sie sind in verschiedenen Justizvollzugsanstalten untergebracht. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an.

„Die Beschuldigten und der 18-Jährige kannten sich“, erklärt das Polizeipräsidium Ludwigsburg weiter. Zur genauen Verbindung trifft es aber ebenso wenig eine Aussage wie zur Frage, woher die Tatverdächtigen kommen und ob sie polizeibekannt waren. Auch zu deren Schutz im teils jugendlichen Alter. Die Form der Schlagwerkzeuge spezifiziert die Polizei ebenfalls nicht. Auch nicht, um andere „auf dumme Ideen zu bringen“, wie eine Polizeisprecherin erklärt.

Neben Polizei und Staatsanwaltschaft und künftig dem Gericht arbeitet auch das Staatliche Schulamt in Ludwigsburg den Fall auf. Es hat eine Aufsichts- und eine Beratungsfunktion für die Schulen. Wie in diesem Fall genau vorgegangen wird, konnte das Schulamt am Freitag nicht sagen, da die zuständige Mitarbeiterin nicht im Haus war. „In solche Fälle sind wir aber immer involviert. Zumal das hier ein sehr drastischer Fall, nachweislich mit Straftaten und Verletzungen, ist“, sagt die stellvertretende Amtsleiterin Anita Kermisch.

Staatliches Schulamt arbeitet Fall ebenfalls auf

Das Aufarbeiten kann in Zusammenarbeit mit der Schule, den Konfliktparteien oder auch externen Experten wie einer schulpsychologischen Beratungsstelle erfolgen. „Es kann auch darum gehen, ein Konzept zur Prävention zu erarbeiten, um für ähnliche Fälle vorbereitet zu sein.“ Für Sicherungsfragen an der Schule sei dann der Schulträger zuständig. Wenn es um pädagogische Konzepte und Beratung geht, das Schulamt. Diese Aussagen trifft Anita Kermisch allgemein. Zum Fall in Tamm kann sie keine genaue Auskunft geben.

Klar ist laut Polizei: Ein Amokalarm an der Realschule Tamm war nicht ausgelöst worden. Unklar sei, ob das nötig gewesen wäre oder ob sich die Situation auch so schnell wieder beruhigt habe. Das Schulrektorat verwies auf Anfrage ans Kultusministerium Stuttgart, das aufgrund der laufenden Ermittlungen jedoch keine Auskunft erteilt.