Baden-Württemberg ist eines der letzten Bundesländer, das über keine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit mit erweitertem Einsatzkonzept verfügt. Gerade die Hamburger Amoklage zeigt, dass Minister Strobl jetzt gefordert ist, kommentiert Franz Feyder.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) wird nicht müde zu predigen: Baden-Württemberg sei eines der sichersten Bundesländer, es habe genügend Polizisten, und die seien mit allem ausgerüstet, was sie brauchen, um ihren oft lebensgefährlichen Alltag zu bewältigen. Genug Polizisten? Mit allem ausgestattet, was sie brauchen?

 

Der Minister scheint nach der alten Weisheit zu verfahren, keiner Statistik zu vertrauen, die man nicht selbst gefälscht habe. Denn regelmäßig entpuppt sich die Mär von seiner größten Einstellungsoffensive auf dem zweiten Blick als Offensivchen, mit dem gerade einmal die Stellen der Polizisten wieder besetzt werden, die wohlverdient pensioniert werden und die Polizei verlassen. Dass die Stroblsche Einstellungswelle, wie ständig insinuiert, zu mehr Polizisten im Land führt, ist eine Mär – oder ein Wunschtraum.

Auch der Glaube an mehr Sicherheit scheint mehr ein Wunsch denn Realität zu sein. Das macht einmal mehr ein aktuelles Beispiel deutlich: Gerade einmal eine Minute nachdem am vergangenen Donnerstagabend die Notrufe über eine Schießerei bei der Hamburger Polizei eingegangen waren, traf eine USE – eine Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen – am Tatort ein. Die Beamten, so Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), hätten das Tatgeschehen unterbrochen, Verletzte gerettet, die Lage stabilisiert.

USE in den Streifenalltag der Hamburger Polizei integriert

Keine Frage: Durch das Einsatzkonzept USE wurden mehr Tote, mehr Verletzte verhindert. Eben weil Hamburg seit 2020 darauf setzt, seine besonders ausgerüstete und ausgebildete Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in den Streifenalltag zu integrieren. So, wie es in Wien die Einsatzgruppe Alarmabteilung WEGA macht, die im November 2020 nach Minuten einen Terroranschlag beendete, den Attentäter erschoss. Ja, natürlich ist dieses Konzept eines für Großstädte, für deutsche Stadtstaaten. Aber: Während Bundespolizei und die vielen Bundesländer bereits ein erweitertes Einsatzkonzept für ihre BFE mit besten Erfahrungen realisieren, wird in Baden-Württemberg selbst die Diskussion darüber allenfalls in ministerialen Hinterzimmern geführt. Wie 1997, als der Südwesten als eines der letzten Bundesländer BFE aufstellte, um gewalttätige Störer bei Demonstrationen beweissicher festzunehmen.

Das Konzept der BFE ist in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt worden. Heute werden die Einheiten gegen Schwerkriminelle und zur Unterstützung von Spezialeinsatzkommandos eingesetzt, bei Terrorangriffen und Amoklagen sowie bei Razzien und Festnahmen . Dafür müssen sie besonders ausgebildet und ausgerüstet werden.

Fähigkeitslücke zum SEK schließen

Auch in Baden-Württemberg werden die Polizisten der BFE längst nahezu täglich für gefährliche Durchsuchungen herangezogen, unterstützen – wie im vergangenen Jahr in Bobstadt-Boxberg – das SEK. Damals wurde ein Elitepolizist schwer verletzt, als ein Reichsbürger um sich schoss. Nur: Im Südwesten sind die Beamtinnen und Beamten der BFE für diese Aufgaben weder ausgebildet noch ausgerüstet. Von einer entsprechenden Zulage ganz zu schweigen.

Minister Strobl ist gut beraten, nicht nur rhetorisch aufs Trömmelchen zu schlagen, um den Takt der wegweisenden Sicherheit zu rühren. Er sollte endlich auf die Pauke hauen und die sechs BFE des Landes dafür ausbilden und ausrüsten, was sie längst tun. Gerade mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Stuttgart schont das Ressourcen und Menschenleben, schließt die Fähigkeitslücke zwischen SEK und Streifendienst und schafft deutlich mehr Sicherheit als die, bei der der Minister bislang nur rhetorisch ganz weit vorne ist.