Bei Informationsveranstaltungen erläutern Beamte, welche Rechte und Pflichten für sie bei ihrer Arbeit gelten. Die Vorträge zählen zum Präventions­angebot der Stuttgarter Polizei.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Der Polizist Stefan Geiß zeigt das Foto einer Streifenwagenbesatzung: Eine Frau und ein Mann in Uniform stehen neben dem Auto. „Bei der Polizei arbeiten sowohl Männer als auch Frauen“, erläutert der Präventionsbeamte den rund 30 Zuhörern im Botnanger Bürgerzentrum. Die Dolmetscherin Sabah Ayat übersetzt ins Arabische. Die Zuhörer nicken. „Was eine Polizistin sagt ist genauso wichtig, wie wenn es ein Polizist sagt“, fügt Stefan Geiß hinzu. Auch dafür gibt es – nach der Übersetzung – anerkennendes Nicken vom überwiegend männlichen Publikum.

 

Die Zuhörer sind Flüchtlinge, die in Botnanger Unterkünften leben. Mit Dolmetschern für Arabisch und in einer zweiten Veranstaltung für Farsi erläutert der Polizist ihnen, wie die Polizei in Deutschland arbeitet, was Bürger dürfen und was nicht, aber auch was Polizisten dürfen und was nicht. Was selbstverständlich scheint, etwa die Tatsache, dass kein Polizist Geld annehmen darf, betont der Beamte deutlich. „Viele kennen das ja anders aus ihrer Heimat“, erläutert Ulrich Sauter, der stellvertretende Leiter des Referats Prävention bei der Stuttgarter Polizei. Um aufzuklären, welche Rolle die Polizei in Stuttgart hat, haben die Präventionsbeamten das Programm entworfen. Innerhalb einer Stunde bekommen die Flüchtlinge nicht nur Rechte und Pflichten der Polizei vermittelt, sie erfahren auch, welche Uniformen es gibt, woran man einen Polizisten erkennt, und dass man grundsätzlich einen Ausweis verlangen darf, wenn jemand sagt, er sei Polizist.

Polizei will ein gutes Miteinander mit den Flüchtlingen erreichen

Durch Kontakte bei Kontrollen, bei Einsätzen in Flüchtlingsheimen und im Streifendienst, aber vor allem auch durch den Kontakt zu Sozialarbeitern habe die Polizei festgestellt, dass ein Bedarf für die Veranstaltungen bestehe, sagt Sauter. Deswegen habe die Polizei das Programm erstellt, das die Präventionsbeamten der Reviere anbieten. Es sei zwar viel Arbeit, aber für die Beamten mehr als eine Pflicht:„Es ist uns eine Herzensangelegenheit“, sagt Sauter. Man wolle ein gutes Miteinander mit den hier lebenden Flüchtlingen. Sicherheit im Straßenverkehr ist dabei auch ein wichtiger Aspekt, deswegen haben die Präventionsspezialisten im vergangenen Sommer Fahrradtraining für Kinder angeboten.

Neben der Erkennbarkeit der Polizei sei auch das Verhalten bei Kontrollen ein wichtiger Punkt. „Das bringen wir auch Jugendlichen nahe in unseren Veranstaltungen“, erläutert Sauter. Die Polizei legt Wert darauf, dass man Abstand zu den Beamten halte. „Außerdem wollen wir ihre Hände sehen“, vermittelt der Präventionsbeamte Geiß in Botnang. Man wisse schließlich vorher nie, mit wem man es zu tun habe.

Die Zuhörer in Botnang haben keine Scheu im Umgang mit den Beamten. Sie stellen Fragen. Einer will wissen, was er tun soll, wenn in der Unterkunft abends keine Ruhe einkehrt. Stefan Geiß rät, zunächst die Sozialarbeiter einzuschalten. Einem jungen Mann wurde das Fahrrad gestohlen. Er wisse, wer es jetzt habe, aber die Polizei habe ihm nicht geholfen – für das geschenkte Rad gab es keinen Kaufbeleg. Er äußert Zweifel an dem, was Geiß erzählt – dass man immer mit Problemen zu den Beamten kommen könne. Schließlich habe er erlebt, dass die Polizei nicht immer helfen könne. Stefan Geiß weiß Rat: Er werde Fahrradpässe in die Unterkunft liefern lassen, damit alle ihre Räder bei der Polizei registrieren lassen können.

Viele Flüchtlinge kennen aus der Heimat nur korrupte Beamte

So unverkrampft gehen die nach Deutschland geflohenen Menschen nicht immer mit der Polizei um – und Ehrenamtliche können verstehen, warum das so ist. Volker Brümmer ist einer der Helfer in der Flüchtlingsunterkunft Neckarpark. „Die Flüchtlinge sind der Polizei gegenüber sehr skeptisch. Das liegt nicht nur an den Erlebnissen in der Heimat, sondern auch an den Abschiebungen, die wir jetzt immer häufiger erleben“, berichtet er. Letztere würden ein Vertrauen, das nach einer gewissen Zeit in Deutschland entstehen könne, erschüttern – etwa wenn nachts Beamte jemanden in der Unterkunft abholen. „Außerdem erwarten viele nicht, dass ihnen die Polizei hilft. Sie kennen aus Kriegsgebieten in ihrer Heimat nur korrupte Beamte“, schildert Brümmer. Dass deutsche Beamte kein Geld annehmen und trotzdem helfen, könnten sich viele nicht vorstellen.

Reinhard Otter vom Freundeskreis in Stuttgart-Süd meint, dass die meisten Flüchtlinge, wenn sie hier ankommen, schon in der Erstaufnahmestelle Kontakt zur Polizei hatten. „Dennoch: Jede Art von Beratung ist gut“, sagt er über das Angebot. Er würde es begrüßen, wenn das Beispiel der Polizei Schule machen würde und weitere Behörden sich ebenfalls vorstellen würden. „Die Bürokratie verwirrt viele. Da wären genauso Schulungen notwendig.“