Polizei-Untersuchungsausschuss Mehr Tiefe hätte an manchen Stellen gut getan

Innenminister Thomas Strobl (CDU) wurde zum Schluss im Untersuchungsausschuss noch einmal gehört. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre war nicht ohne Effekt. Er hätte aber noch mehr bewirken könnten, kommentiert unsere Redakteurin Annika Grah.

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Es ist drei Jahre her, dass der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre in Baden-Württemberg eingesetzt wurde – nun neigt sich der Ausschuss dem Ende zu. Ausgelöst hatten den U-Ausschuss die Vorwürfe wegen sexueller Nötigung gegen den früheren Landesinspekteur der Polizei. In der Öffentlichkeit ereilte den Ausschuss das Schicksal, das den meisten Untersuchungsausschüssen widerfährt: Die Themen sind komplex, die gewonnenen Erkenntnisse schwer zu überblicken und die Vielzahl an Skandalen, die öffentlich wurden, äußerst unübersichtlich.

 

Es haben sich Dinge geändert

Dem Kontrollgremium deswegen jedwede Wirkung abzusprechen, wäre aber zu kurz gesprungen. Die Vorgänge rund um den Inspekteur der Polizei und die Aufmerksamkeit, die der U-Ausschuss mit sich gebracht hatte, dürften mit dazu geführt haben, dass Kriterien bei der Polizei verändert wurden – vom Umgang mit sexueller Belästigung über die Mechanismen bei der Beurteilung. Nicht zuletzt wurde die Polizeispitze neu geordnet und der Posten des Inspekteurs abgeschafft.

Trotzdem blieb der U-Ausschuss in manchen Bereichen merkwürdig wirkungslos. Der Freiburger Polizeipräsident Franz Semling, dem zunächst rechtliche Daumenschrauben angedroht worden waren, wurde nicht mehr geladen. Geradezu enttäuschend war der Bericht der Ermittlungsbeauftragten, die sich mit früheren Fällen sexueller Belästigung in der Landesverwaltung beschäftigte. Nachdem der Ausschnitt immer kleiner gefasst worden war, kam sie zu dem Schluss, dass mit den Fällen im Großen und Ganzen ordentlich umgegangen worden sei. Doch das Problem liegt eben vor allem im Dunkelfeld.

Ob der Ausschuss in der Frage hätte weiterkommen können? Er hätte zumindest versuchen können, tiefer zu bohren. Doch nicht einmal in nicht-öffentlicher Sitzung wurde beispielsweise die Hauptkommissarin angehört, die das Thema ins Rollen gebracht hatte und vieles über den Umgang mit Frauen bei der Polizei hätte sagen können. Gut, dass einige Abgeordneten eine wissenschaftliche Aufarbeitung forderten.

An anderen Stellen ging der U-Ausschuss in die Breite statt in die Tiefe. Die Beförderungspraxis wurde in zeitaufwendigen Zeugenbefragungen behandelt, als längst klar war, wo Schwachstellen lagen. Andere Zeugen wurden mit hohen Erwartungen geladen, die sich nicht erfüllten. Der Ausschuss blieb unter seinen Möglichkeiten.

Verfrühte Rücktrittsforderung

Besonders deutlich wird das in den verfrühten Rücktrittsforderungen gegen den Innenminister Thomas Strobl (CDU). Sie prasselten schon vor Beginn der Beweisaufnahme auf ihn ein, als die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelte. Der Innenminister hatte einen Brief vom Anwalt des Inspekteurs an einen Journalisten unserer Zeitung weitergegeben. Die Staatsanwaltschaft sah den Verdacht wegen der Weitergabe von Unterlagen aus einem Disziplinarverfahren. Die Ermittlungen wurden schließlich gegen eine Geldbuße eingestellt. Die Opposition forderte dennoch Strobls Rücktritt und stellte einen Entlassantrag. Doch die CDU und nicht zuletzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) standen hinter ihm.

Rückblickend kann man sagen: FDP und SPD hätten warten müssen. Strobl selbst lieferte in seiner ersten Zeugenaussage die Steilvorlage, als er sagte, alles, was im Innenministerium passiere, verantworte er und nur er. Die Opposition hätte sich gedulden und sammeln müssen, um ihn wirklich fassen zu können. Jetzt – am Ende der Beweisaufnahme –, hätte man ihn mit allem konfrontieren können, was der Ausschuss zutage gefördert hat. Ernsthaft gefährlich wird das dem Innenminister ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl nicht mehr werden. Das Pulver ist verschossen.

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