Die Beamten vom Polizeirevier 2 in der Wolframstraße sind für alles gerüstet – auch für Geburten.

Stuttgart - V
erkehrsunfälle, Drogendelikte, Ladendiebstähle: Das ist Alltag für die Beamtinnen und Beamten des Polizeireviers 2 Wolframstraße. Aber mitzuhelfen, ein Kind auf die Welt zu bringen? „Das gab es bisher noch nicht“, sagt Revierleiter Volker Weinstock. Kürzlich ist es doch passiert. Vom Asylbewerberheim am Killesberg ging der Notruf ein, dass bei einer Bewohnerin die Wehen eingesetzt haben. Die Polizei alarmierte den Rettungsdienst. Ein Streifenwagen rückte ebenfalls aus. Als die Beamten vor Ort eintrafen, hatten bereits die Presswehen eingesetzt; ein Transport der Schwangeren in die Klinik war nicht mehr möglich. Der Polizist und seine Kollegin unterstützten den Notarzt: „Sie halfen einem gesunden Mädchen auf die Welt“, sagt Weinstock.

 

Er und sein Vize Ralf Perrey sind verantwortlich für 108 Kolleginnen und Kollegen. 78 arbeiten im Streifendienst, 25 im Bezirks- und Ermittlungsdienst der Schutzpolizei, fünf sind in der Führungsgruppe. „27 Stellen fehlen uns derzeit. Wir hoffen, dass wir durch die Ausbildungsoffensive bis in drei Jahren das Defizit ausgleichen können“, sagt Weinstock.

Das Revier 2 Wolframstraße sei zwar nicht das größte der acht Stuttgarter Polizeireviere, aber eins der vielseitigsten, ist der Chef überzeugt. Denn es umfasst im Stadtbezirk Nord gute Wohngegenden wie den Killesberg, aber auch die Innenstadt mit Brennpunkten wie Hauptbahnhof, Klett-Passage sowie den Schlossgarten.

Die meisten Straftaten klärt der Bezirks- und Ermittlungsdienst auf

Rund 1800 Verkehrsunfälle und um die 8000 Straftaten verzeichnet das Revier pro Jahr. Etwa alle 10 Minuten kommt ein neuer Auftrag. Aus dem Protokoll eines ganz normalen Tages: 00.05 Uhr: eine stark alkoholisierte Frau liegt in der Klett-Passage schreiend auf dem Boden. Die Polizei bringt sie zum Präsidium auf den Pragsattel. Dort bleibt sie auf richterliche Anordnung zur Ausnüchterung in Gewahrsam. 7.35 Uhr: In einer betreuten Wohngruppe gehen ein 18- und ein 17-Jähriger mit Bierflaschen und Messer aufeinander los. Die Polizei trennt die beiden, nimmt eine Anzeige auf und droht im Wiederholungsfall mit Festnahme. 7.39 Uhr: Die Polizei muss die Personalien eines Schwarzfahrers aufnehmen, der keine Papiere mit sich führt. 7.47 Uhr: Einsatz, weil ein Albaner im Asylverfahren sich unbefugt in Stuttgart aufhält. 13 Uhr: An einer Realschule zeigt ein 14-Jähriger Mitschülern sein Fahrtenmesser. Lehrer alarmieren die Polizei. Die Polizisten führen mit dem Jungen und seiner Mutter „ein klärendes Gespräch“ über das Waffenverbot an Schulen. 15 Uhr: Polizisten halten an einer Berufsschule einen Vortrag zum Thema Amoklauf. Eine 18-jährige Schülerin äußert den Verdacht, dass ihr Vater illegal eine Schusswaffe besitzt. Ob an dem Vorwurf etwas dran ist, wird derzeit noch überprüft. Nur etwa 18 Prozent der Straftaten werden von der Kriminalpolizei bearbeitet, der große Rest vom Bezirks- und Ermittlungsdienst der Schutzpolizei. Der beschäftigt sich mit den aufwendigen Nachforschungen wie bei Betrug, Internetkriminalität, Einbruch, häusliche Gewalt. Der Streifendienst ist zuständig für alles, was auf der Straße passiert. „Unsere Aufklärungsquote liegt bei 65 Prozent“, stellt Weinstock fest.

Alarm geht über die Wache im Erdgeschoss des Reviers ein. Auf dem Monitor sehen die Diensthabenden genau, wo gerade im Stadtgebiet welcher Einsatz ist. Im Erdgeschoss sind auch die vier Arrestzellen des Reviers: Stehklo, Holzpritsche, Wolldecke und Videokamera. Das ist die gesamte Ausstattung, um Suizid auszuschließen. In Gewahrsam werden Menschen in der Wolframstraße nur für kurze Zeit genommen. Wer länger bleiben muss, wird zum Polizeipräsidium am Pragsattel gebracht. „Dort begutachtet ein Arzt den gesundheitlichen Zustand, bevor ein Richter die Unterbringung in der Zelle anordnet“, sagt Perrey. Im Erdgeschoss sind auch die Schließfächer für die Dienstwaffen und die Waffenkammer für die Maschinenpistolen: MP 7, ballistischer Helm, Schutzweste, Tiefschutz und Schulterüberwurf gehören seit etwa zwei Jahren in doppelter Ausführung in jedes Streifenfahrzeug. Mit der Anti-Amok- Ausrüstung wiegt Polizeiobermeister Michael Scheer statt 80 Kilo 95. „Im Ernstfall hab ich die Sachen am Einsatzort in zwei Minuten an“, sagt er – und hofft wie seine Kollegen und Kolleginnen, dass es nie so weit kommt.