Es wird im Untersuchungsausschuss immer deutlicher: Stefan Mappus wollte unter allen Umständen verhindern, dass der missglückte Polizeieinsatz im Schlossgarten am „schwarzen Donnerstag“ abgebrochen wird.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wichtige Dokumente zum Polizeieinsatz im Schlossgarten sind dem ersten Untersuchungsausschuss des Landtags nicht oder nur unvollständig vorgelegt worden. Das ist am Freitag bei einer Sitzung des zweiten Gremiums zum „schwarzen Donnerstag“ deutlich geworden. Erstmals wurde dort der Wortlaut einer Mail bekannt, die dem Ausschuss nur in einer entschärften Version vorlag. In einer früheren Fassung, die die Staatsanwaltschaft in den Mails von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus fand, heißt es nach Angaben von Abgeordneten: „Klar ist: der Staat kann sich ein Scheitern der Aktion nicht leisten.“

 

Außerdem werde darin betont, der Polizeieinsatz könne „nur im äußersten Notfall“ abgebrochen werden; in der zunächst vorgelegten Fassung hieß es nur „im Notfall“. Damit mehren sich die Hinweise, dass der Polizeieinsatz unbedingt durchgezogen werden musste, obwohl er völlig aus dem Ruder gelaufen war. Dem ersten Gremium fehlte auch eine Mail eines Abteilungsleiters an den damaligen Chef der Staatskanzlei, Hubert Wicker, in dem ein Zusammenhang zwischen der Regierungserklärung von Mappus und dem Einsatz hergestellt wurde. Ebenso wurde eine Mail von Ex-Umweltministerin Tanja Gönner an Mappus nicht vorgelegt. Darin teilte Gönner ihm mit, Ziel sei es, dass die Bäume im Schlossgarten bis zu seinem Auftritt im Landtag gefällt seien.

Wicker: Alle Akten bedeuten alle Akten

Nach dem Gesetz für U-Ausschüsse müssen die Akten zum Untersuchungsgegenstand vollständig vorgelegt werden. Ausnahmen sind nur möglich, wenn etwa der Kernbereich der Exekutive betroffen ist. was aber zu begründen ist. Der frühere Staatskanzleichef Wicker betonte vor dem Ausschuss, nach seiner Kenntnis habe das erste Gremium alle Unterlagen erhalten. Warum die jetzt aufgetauchten Dokumente nicht enthalten waren, könne er nicht sagen. „Es gab von mir keinerlei Anweisung, irgendwelche Vermerke nicht mitzuschicken“, sagte er. Aus seiner Sicht hätte es auch keinen Grund gegeben, etwa die Mail des Abteilungsleiters nicht vorzulegen.

Mehrfach erklärte Wicker, er sei für die Vorlage der Akten nicht unmittelbar verantwortlich gewesen. Dies sei Aufgabe des damaligen Regierungsbeauftragten gewesen, des Ministerialrates Michael Pope. In einem Vermerk zur Vorbereitung des Gremiums hatte Pope nach Angaben von Abgeordneten geschrieben, man brauche Zeit für eine „widerspruchsfreie Aufarbeitung“ der Akten. Was das bedeute, könne er nicht erläutern, sagte Wicker; man solle „am besten den Verfasser fragen, was er damit ausdrücken wollte“. Für ihn sei die Sache klar, sagte der heutige Landtagsdirektor: „Alle Akten bedeuten alle Akten.“

Grüne und SPD beantragen Einsicht in weitere Mails

Damit geraten Pope und sein früherer Abteilungsleiter Michael Kleiner wieder verstärkt ins Visier des Ausschusses. Auch von ihnen sind Mails aus dem Herbst 2010 erhalten geblieben, gegen deren Auswertung sie sich vehement wehren. Grüne und SPD haben beantragt, Einblick in die Mails zu erhalten; die CDU lehnt dies ab. Der FDP-Vertreter Timm Kern sagte nach der Sitzung, er müsse seine Position dazu noch einmal überdenken. Seiner Fraktion liege an Aufklärung, aber auch am Datenschutz.

„Klar ist: der Staat kann sich ein Scheitern der Aktion nicht leisten“ – diesen Satz wertete der Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl als „weitreichende politische Aussage“. Der CDU-Obmann Reinhard Löffler erinnerte dagegen daran, dass sich der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) bei der Flugzeugentführung von Mogadischu ebenso geäußert habe; tatsächlich könne es sich der Staat „nicht leisten, vor Gewalttätern zurückzuweichen“. Die Frage der StZ, ob er damit die Terroristen von Mogadischu mit den Stuttgart-21-Gegnern vergleichen wolle, verneinte Löffler umgehend.

„Einsatz sehr schlecht verlaufen“

Am Vormittag hatte ein leitender Polizeibeamter ausgesagt, der damalige Polizeipräsident Siegfried Stumpf habe den Einsatz „nicht um jeden Preis“ durchführen wollen. Man könne jederzeit abbrechen, müsse sich aber über die Folgen im Klaren sein; die Räumung des Schlossgartens wäre dann noch erheblich schwieriger geworden. Die Möglichkeit eines Abbruchs sei zuvor nicht durchgespielt worden, es habe keinen entsprechenden „Plan B“ gegeben. Aus Sicht der Polizei sei der Einsatz „sehr schlecht verlaufen“. Es sei „überhaupt nicht geplant“ gewesen, die Wasserwerfer zur Räumung des Geländes einzusetzen. Die Freigabe durch die örtliche Polizeiführung sei für den Stab überraschend gekommen: „In dem Moment war unser Konzept auf den Kopf gestellt.“