Ein mutmaßlicher Dieb soll am 8. März in einem Subway in Stuttgart-Mitte randaliert haben. Nach dessen Festnahme erhebt eine Zeugin schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte, die sie und ihre Freunde angegriffen und beleidigt haben sollen.

Stuttgart-Mitte - Nach einem Polizeieinsatz in der Nacht zum Sonntag, 8. März, bei dem ein mutmaßlicher Dieb im Subway in der Theodor-Heuss-Passage in Stuttgart-Mitte dingfest gemacht worden war (wir berichteten), erhebt nun eine 29-jährige Zeugin schwere Vorwürfe gegen die eingesetzten Polizisten. Die Beamten sollen die 29-Jährige sowie ein befreundetes 32 und 25 Jahre altes Paar unter anderem brutal geschlagen sowie beleidigt haben. Die Betroffene sucht in diesem Zusammenhang dringend nach mehreren Passanten, die den Einsatz offenbar beobachtet haben sollen.

 

Die ersten Informationen zu dem Vorfall erreichten unsere Redaktion über die Polizeimeldung, die am Montag, 10. März, veröffentlicht wurde. Demnach kam es gegen 1 Uhr nachts zu dem Einsatz, weil ein 19-jähriger mutmaßlicher Dieb im Subway randaliert haben soll. Ein Sprecher der Polizei sprach außerdem von einer „zunächst unübersichtlichen Situation“, als die Polizisten am Ort des Geschehens eintrafen. Während dieser unübersichtlichen Situation soll es laut der 29-Jährigen zu den besagten Übergriffen seitens der Beamten gekommen sein. Die Zeugin sei kurz vor 1 Uhr mit ihren Freunden auf dem Weg zur Bahn gewesen, als aus der Theodor-Heuss-Passage lautes Geschrei drang. Als sie nachschauten, soll sich der 19-Jährige mit dem Verkäufer gestritten haben. „Als der junge Mann, der offensichtlich betrunken war, den Verkäufer schubste und ihm das EC-Gerät wegriss, das dann aus der Halterung fiel, sind wir eingeschritten und haben ihn dazu aufgefordert, den Imbiss zu verlassen“, erzählt die Zeugin.

Die Ereignisse überschlagen sich

Die Situation sei eskaliert. Der 19-Jährige habe Chipstüten aufgerissen und den Inhalt im Laden verteilt, sei immer aggressiver geworden, habe ihre 32-jährige Freundin angegriffen und gegen eine Glasscheibe gestoßen. Die 29-Jährige alarmierte die Polizei. Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Denn gerade als sich ein 25-jähriger Freund der 32-Jährigen, ein afroamerikanischer Soldat der US-Air-Force, einschaltete, kamen etwa zehn Polizisten um die Ecke und stürmten das Geschäft. „Doch anstatt zuerst zu fragen, was los ist, stießen die Beamten meinen Kumpel, meine Freundin und mich ohne Vorwarnung und sehr brutal zu Boden“, sagt die 29-Jährige. Dann hätten sie den Amerikaner aus dem Imbiss gezerrt. Als die drei sich erklären wollten, seien aus den Reihen der Polizisten unter anderem die Worte „Halt endlich deine Scheiß-Fresse“ gefallen, die Zeugin sei außerdem von einem Beamten brutal ins Gesicht geschlagen worden. Als eine Polizistin sie dann ins Subway zurückgeschubst habe, sei sie mit dem Kopf auf dem Boden aufgeprallt, so die 29-Jährige. Währenddessen sollen sechs Polizisten das 25 und 32 Jahre alte Paar auf den Boden gebracht, sich auf sie gekniet und ihnen Handschellen anlegt haben. Der mutmaßliche Dieb habe währenddessen seelenruhig im Subway gestanden und habe gewartet. Schließlich seien alle Beteiligten auf die Wache gebracht worden, wo sie befragt wurden.

Die 29-Jährige beklagt, dass sie keine Auskünfte über die Namen der beteiligten Polizisten bekommen habe, die sie angegriffen hätten. Gegen 3.30 Uhr seien die drei wieder entlassen worden – die 29-Jährige hatte eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, ihr befreundetes Paar außerdem jeweils eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals. „Mir ist es wichtig zu sagen, dass ich bislang noch nie schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe“, erklärt die 29-Jährige, „doch das, was an diesem Abend geschehen ist, hat mich total schockiert. Die Bürger werden gebeten, Zivilcourage zu zeigen. Wenn Polizeigewalt die Konsequenz daraus ist, dann wundert mich das nicht, dass jeder wegschauen möchte“.

Die Betroffene leidet aufgrund der Attacke eigenen Angaben zufolge noch immer unter gesundheitlichen Problemen – sowohl physischer als auch psychischer Natur – und war deswegen auch schon beim Arzt sowie im Krankenhaus. Auch ihre Freunde sollen unter anderem eine geprellte Rippe, einen geprellten Fuß und Blutergüsse davongetragen haben. Die Zeugin hat nun auch ihren Anwalt eingeschaltet. Eine Anzeige gegen die eingesetzten Polizisten behält sie sich vor.

Das sagt die Polizei zu den Anschuldigungen

Mit diesen Anschuldigungen konfrontiert, erklärt Polizeisprecher Jens Lauer nach Einsicht ins Protokoll: „Als die Kollegen an jenem Abend im Subway eintrafen, war es tatsächlich eine unübersichtliche Situation“. Der Sprecher räumt ein, dass die Polizisten gleich auf den US-Soldaten losgegangen seien, doch nur deshalb, „weil der 25-Jährige den mutmaßlichen Dieb in dem Moment körperlich angegangen habe, als die Beamten im Subway auftauchten“. So sei zum einen keine Zeit geblieben, die Situation verbal zu beruhigen und außerdem habe es zunächst den Anschein gehabt, dass der US-Soldat der Aggressor gewesen sei. Als die Kollegen den 25-Jährigen überwältigt hatten, wäre seine Freundin auf die Beamten losgegangen und hätte versucht, einen Polizisten mit Gewalt von ihrem Freund wegzuziehen. „In dieser Situation blieb den Einsatzkräften nichts anderes mehr übrig, als alle Beteiligten mit auf die Wache zu nehmen“, so Lauer. Von Angriffen und Beleidigungen seitens der Polizisten sei im Protokoll keine Rede.

Der Mitarbeiter des Imbissgeschäfts, der an dem Abend hinter dem Tresen stand, wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu den Vorfällen äußern. Er habe der Polizei schon alles gesagt, erklärt er.

Neben den Passanten, die den Vorfall mitbekommen haben und wiederholt „immer auf die Schwarzen und Frauenschläger“ gerufen haben sollen, gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten, Licht ins Dunkel zu bringen: Zum einen die Bodycams der Polizisten, die laut Polizeisprecher im Falle einer Anzeige gegen die Beamten ausgewertet werden sollen, zum anderen die Überwachungskamera im Subway. Die Videodaten, die in der Nacht zum Sonntag in der Kamera gespeichert wurden, seien allerdings einem weiteren Subway-Mitarbeiter zufolge defekt, doch ein Techniker kümmere sich darum, so viele Daten wie möglich zu retten.

Ohne die Auswertung der Videodaten oder die Befragung der noch unbekannten Passanten steht zurzeit noch Aussage gegen Aussage.