Mit Maschinenpistolen im Anschlag haben Polizisten bei einer Fahndung einen Minderjährigen kontrolliert. Seine Mutter erwägt rechtliche Schritte – ein Sprecher verteidigt das Vorgehen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Backnang - Backnang, am vergangenen Samstagnachmittag. Zwei Jugendfußballmannschaften wärmen sich am Karl-Euerle-Stadion auf, auch die Football-Mannschaft „Wolverines“ hat ein Spiel. Ein paar Jugendliche sitzen auf einer Bank am Spielfeldrand, um zuzusehen. Dann – so schildern es später Zeugen – spielen sich dramatische Szenen ab. Sechs Polizisten, alle in schwarzer Uniform und mit Schutzwesten, Helmen und Maschinenpistolen ausgestattet, stürmen über den Sportplatz heran, direkt auf die jugendlichen Zuschauer zu. Zumindest als sie auf die Jungen zurennen, richten sie ihre Waffen auf einen von ihnen, einen 13-Jährigen.

 

Seine Freunde sollen angeschrien worden sein, sich sofort zu entfernen. Der 13-Jährige habe sich laut den Zeugen erst mit erhobenen Händen auf den Boden knien, dann hinlegen müssen. Er wurde auf dem Boden fixiert und kontrolliert, danach ließen ihn die Beamten wieder ziehen.

Mutter: „Mein Sohn hat am ganzen Leib gezittert“

Die Mutter des 13-Jährigen erhebt nun Vorwürfe gegen die Polizei. „Mit Gewehren auf ein Kind zu zielen ist einfach zu viel“, sagt sie. Der Junge habe am ganzen Leib gezittert „und hat jetzt Angst, nach draußen zu gehen.“ Die Beamten hätten die Situation auch erst beobachten können, statt direkt auf den 13-Jährigen loszustürmen. Sie selbst war bei dem Vorfall nicht dabei, sondern hat unmittelbar danach von ihren Kindern davon erfahren – außerdem existiert Bildmaterial von der Aktion.

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Das Pech des Jugendlichen: Er trug eine schwarze Jacke und einen Pullover mit heller Kapuze. Genau wie ein Mann, der kurz zuvor beim Gymnasium in der Taus mit einer Pistole hantiert haben soll. Diese Beobachtung eines Zeugen hatte erst zu dem Polizeieinsatz geführt.

Das sagt die Polizei zu Kritik an dem Einsatz

Für den Polizeisprecher Rudolf Bihlmaier war die Kontrolle „ein angemessenes Vorgehen“. Er erklärt: „Natürlich ist so eine Situation ein einschneidendes Erlebnis, das wünscht man keinem Kind.“ Aber: „Wir mussten davon ausgehen, dass ein bewaffneter Täter unterwegs ist, der Junge hat der Beschreibung entsprochen. Dinge wie die Maschinenpistolen gehören nun einmal zu unserer Ausstattung. Wir wären doch die Dümmsten, wenn wir unsere Einsatzmittel in so einer Situation nicht nutzen würden.“

Polizeisprecher erinnert an den Amoklauf von Winnenden

Die Eigensicherung der Beamten, so Bihlmaier, sei in solchen Fällen extrem wichtig. Dass der Kontrollierte erst minderjährig war, ändere daran nichts. Bihlmaier erinnert an den Amokläufer von Winnenden (ebenfalls im Rems-Murr-Kreis), der im Jahr 2009 erst 15 Menschen und dann sich selbst getötet hatte: „Auch ein Jugendlicher kann eine Schusswaffe bei sich tragen – Tim K. war erst 16 Jahre alt.“ Um welche Art von Einheit es sich bei den martialisch ausgerüsteten Polizisten gehandelt hat, will er nicht in Erfahrung bringen: „Dazu sehe ich keinen Anlass, solange es keine offizielle Beschwerde gegeben hat.“ Die Beamten könnten Polizisten einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit gewesen sein.

Wo ist der von einem Zeugen gesehene Mann mit Pistole?

Ein anderer Zeuge nimmt die Polizisten in Schutz: „Die ganze Sache war nach etwa zwei Minuten vorbei“, erzählt er. „Meiner Meinung nach war das Vorgehen der Polizisten zwar nicht gerade zimperlich, aber auch nicht übertrieben.“ Die Beamten seien danach zu den Umstehenden gekommen und hätten ihnen den Vorfall erklärt.

Der Mutter des kontrollierten Jungen ist das nicht genug: „Ich hätte schon wenigstens eine Entschuldigung erwartet.“ Sie habe einen Anwalt kontaktiert, um sich beraten zu lassen, was sie nun tun könne. Von dem angeblichen Mann mit Pistole, der der Polizei am Samstag gemeldet worden war und der den Einsatz erst ausgelöst hatte, fehlt bis heute jede Spur.