Ein Großteil der Radfahrer ist frühmorgens gut erkennbar, wie eine Stichprobe der Polizei im Oberen Schlossgarten zeigt. Es hapert nur an Pedal-Reflektoren.

Stuttgart - Schon eine Dreiviertelstunde hat die Polizei am Freitagmorgen am Ferdinand-Leitner-Steg im Oberen Schlossgarten Radfahrer auf ihre Beleuchtung kontrolliert, als ein junger Mann auf einem Rad mit Stahlrahmen in Retro-Optik aufkreuzt – komplett ohne Licht. „Sie brauchen Vorderlicht, Rücklicht und Reflektoren vorne und hinten“, unterweist ihn ein Beamter mit gelber Warnweste freundlich. Der Radler ist zerknirscht. „Ist Beleuchtung denn Pflicht?“, fragt er, um kurz darauf zu ergänzen: „Ich will mir ja seit Wochen Lichter kaufen, aber komme irgendwie nicht dazu.“

 

Für den Verstoß gibt es diesmal aber keine Verwarnung und auch kein Bußgeld, sondern ein Stück Schokolade mit auf den Weg und die Aufforderung an den jungen Mann, sein Rad den Rest des Weges zu schieben. Am Nikolaustag zeigt sich die Polizei kulant. Es geht ihr nicht um Bestrafung, sondern um Aufklärung und Sensibilisierung der Radfahrer.

Das Resümee ist eindeutig

Denn die Verwaltung registriert zwar mit Wohlwollen, dass die Zahl der Radfahrer in Stuttgart in den vergangenen Jahren gestiegen ist, auch jener, die in der dunklen Jahreszeit auf den Sattel steigen. Gleichzeitig ist sie gewarnt: denn im Jahr 2018 war auch die Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrer-Beteiligung deutlich gewachsen.

Zusammen mit den Bürgermeistern Martin Schairer und Peter Pätzold hat die Verkehrspolizei deshalb vor einem Jahr in der Tübinger Straße erstmals eine solche Kontrolle vorgenommen. Die Tübinger Straße ist Fahrradstraße, gehört genau wie der Ferdinand-Leitner-Steg zur Hauptradroute 1 und damit zu den meist befahrenen Abschnitten der Stadt. Das Resümee der Kontrolle ist eindeutig: die meisten Fahrer sind am Nikolaustag vorbildlich ausgerüstet. Von 156 zwischen 7 und 8 Uhr kontrollierten Radlern sind nur fünf ohne Licht unterwegs, im Schnitt haben drei von vier einen Helm auf.

Schairer hat Reflektorbänder an den Knöcheln

Viele sind täglich unterwegs, einer pendelt laut eigenen Angaben gar schon seit 1984 auf dieser Strecke. Ein anderer fährt jeden Tag von Böblingen nach Bad Cannstatt zur Arbeit, „im Winter bin ich etwas langsamer unterwegs und brauche eine Stunde und 15 Minuten“, sagt der Mann in grell-gelber Funktionsjacke. Den positiven Eindruck bringt Claudia Rohde, die Leiterin der Stuttgarter Verkehrspolizei, im Gespräch mit einem anderen Radfahrer auf den Punkt: „An den Pedalen könnten Sie Reflektoren anbringen – das ist die einzige Kritik“, so Rohde.

Ebenso wichtig wie Vorder- und Rücklicht seien Speichen- und Pedalreflektoren, sagt Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, der selbst mit dem Rad gekommen ist. „Es gibt eine Seitenproblematik“, so Schairer, „daran hapert es oft.“ Zwar hätten viele Radler gute Lichter vorne und hinten. Doch die Seite biete die größte Angriffsfläche. Schairer selbst hat sich Reflektorbänder an den Knöcheln befestigt. Diese seien besonders gut sichtbar für Autofahrer, weil sie erstens reflektierten und man sie durchs Pedalieren auch in Bewegung halte. Das Motto „Sicher ist, wer sichtbar ist“ gelte in der dunklen Jahreszeit noch mehr als sonst, so Schairer.

Stroboskoplichter sind nicht gern gesehen

Selbst die Einstellung der Lichter ist bei den meisten Radfahrern an diesem Morgen optimal. Der an der Aktion beteiligte Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat eine Tafel mitgebracht, auf der die Fahrer genau das testen können. Landet der Lichtkegel ihres Frontlichts ungefähr in der Mitte der Tafel, dann stimmt die Einstellung. Landet er zu weit oben, würde der Gegenverkehr geblendet. Ist er zu weit unten, dann hätte das Licht keine Wirkung.

Ungern sehen die Polizisten übrigens sogenannte Stroboskoplichter, also solche, die blinken. Auch die Stirnlampen, die einige als zusätzliche Lichtquelle mit sich führen, bewerten die Experten eher als kontraproduktiv, da sie Entgegenkommende blenden könnten.