Immer wieder kracht es zwischen Autos und Stadtbahnen – weil Autofahrer zumeist verbotenerweise über die Gleise abbiegen wollten und die Bahn übersehen haben. In der Innenstadt hat die Polizei jetzt die Sünder abgefangen.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Für den Taxifahrer kommt es knüppeldick. 18 Jahre lang ist der Mann als Pizzakurier unterwegs gewesen, erst seit wenigen Tagen chauffiert er Fahrgäste im Taxi durch die Stadt. Doch jetzt wird er von der Polizei an den Straßenrand gewinkt. Dabei wollte der 56-Jährige seinen Fahrgast, eine Frau mit Rollkoffer, doch nur auf dem kürzesten Weg zur Urbanstraße bringen. Sie muss den Rest laufen. Denn jetzt wird der Taxler erst einmal von der Polizei als Wende-Sünder ins Gebet genommen.

 

Verbotenerweise über die Stadtbahngleise abgebogen – das ist das große Thema bei dieser Polizeikontrolle am Donnerstagmorgen. „108 Stadtbahnunfälle im letzten Jahr, jeden dritten Tag also einer, und meistens durch leichtsinnige Autofahrer, da muss man etwas tun“, sagt Einsatzleiter Hermann Volkert. Immer wieder wird gewendet und abgebogen – und die parallel fahrende Stadtbahn übersehen. Allein letzte Woche in Wangen 25 000 Euro Schaden sowie nahe der Liederhalle in der Stadtmitte zwei Verletzte und 150 000 Euro Schaden. Auch da war ein Taxifahrer beteiligt.

Die Charlottenstraße ist ein Dauerbrenner

Der Mann von der Verkehrsprävention hat sich in der Innenstadt an der Bundesstraße 27, Abschnitt Charlottenstraße, mit zehn Beamten aufgestellt. Dort stand Volkert mit seiner Aktion auch schon, als der Taxler noch Novize als Pizzakurier war. Doch an dem Problem der Kreuzung Charlotten- und Alexanderstraße in der Innenstadt hat er auch in all den Jahren wenig ausrichten können. Genauso wenig wie die Stadt.

Das Problem: Beim Linksabbiegen stadtauswärts von der Charlottenstraße in die Alexanderstraße fahren die Autofahrer zunächst korrekt bei grüner Ampel los – fahren dann aber nicht parallel zu den Stadtbahngleisen der U 15 Richtung Eugensplatz, sondern versuchen über die Schienen hinweg eine Kehrtwende zurück in die Charlottenstraße. Und übersehen dabei die U 15.

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Ein Handwerker riecht Lunte

Meist wollen die Fahrer so zurück zur Olgastraße. Oder zur Urbanstraße. Wie der Taxifahrer, der derweil zerknirscht am verschlossenen Handschuhfach scheitert und an seine Papiere nicht rankommt. Oder der 56-jährige Volvo-Fahrer, der in der Urbanstraße einen Frühstückstermin hat. „Es ist ja fast unmöglich, dorthin zu kommen“, sagt er, „überall Geradeausgebote, Einbahnstraßen, Baustellen, Umleitungen.“ Er habe deshalb bewusst gewendet, sagt der Stuttgarter.

Ein Handwerker aus Korntal-Münchingen, der an der Charlottenstraße ein Fenster einbauen muss, hat Glück gehabt. Der 60-Jährige hat das Polizeiaufgebot gesehen und dann gedacht, „da wende ich heute lieber mal nicht“. Mit seinem Kleinlaster fährt er daher die Alexanderstraße bis zum Eugensplatz hoch, ehe er eine Gelegenheit zum Umdrehen sieht. „Das Problem ist, dass man einfach viel zu weit fahren muss“, sagt der Handwerker. Am Ziel warnt er per Handy seinen Kollegen auf der Anfahrt.

Ein neuartiger Blitzer erwies sich als Flop

Es gibt offenbar nur wenige, die es nicht wissen. Zwei Verbotszeichen an der Linksabbiegerampel sind eindeutig. Und doch: Gegen Wenden scheint weder ein Kraut noch ein Blitzer gewachsen. „Wir haben immer noch keine technische Lösung gefunden“, sagt Joachim Elser von der Bußgeldstelle des städtischen Ordnungsamts. 2008 war er wesentlich optimistischer: Damals hatte man an der Ecke einen Blitzkasten aufgebaut – einen deutschlandweit einzigartigen. Dieser Blitzer blitzte bei Grün. Um all die Sünder zu erwischen, die bei Grün eine Kehrtwende versuchten. Allerdings erwies sich die Aufgabe als zu schwierig. Die Sensoren erwischten auch ordnungsgemäß von der Hohenheimer Straße kommende Fahrer, wurden von Staukolonnen irritiert. Jetzt ist der Blitzkasten nur noch ein Museumsstück. „Er steht seitdem nur noch aus präventiven Gründen an Ort und Stelle“, sagt Elser.

Dafür ist die Polizei verstärkt da. Am 22. August, in den Ferien, wurden an der Kreuzung sieben Wende-Sünder erwischt. Zur gleichen Zeit krachte es indes in der Pragstraße bei der Wilhelma. Am Dienstag gingen 16 Sünder ins Netz. Am Donnerstag sind es neun. Volkert lässt Gnade vor Recht ergehen: mahnende Worte statt 20 Euro Verwarnungsgeld. Nur der Taxifahrer muss zahlen: „Er hatte einen Fahrgast“, sagt Volkert, „und damit eine besondere Verantwortung.“