Das Bundeskriminalamt hat im vergangenen Jahr wieder mehr Fälle von Kriminalität erfasst. Vor allem in einigen Bereichen gab es einen starken Anstieg von Straftaten.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Etwas mehr Straftaten, mehr Gewalt gegen Frauen, mehr Kinderkriminalität: Das sind die Erkenntnisse, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 auffallen. Am Donnerstag haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die Berliner Innensenatorin und derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Iris Spranger (SPD), und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), den Bericht vorgestellt, der die registrierten Straftaten des Jahres 2022 zusammenfasst.

 

Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Hochphase der Pandemie vorbei ist. In den Jahren ab 2020 waren die registrierten Straftaten aufgrund der Covid-Maßnahmen stark zurückgegangen, aber auch davor waren sie leicht rückläufig gewesen. Jetzt sind die Zahlen erstmals seit fünf Jahren wieder gestiegen. Das BKA zählt insgesamt 5 628 584 Straftaten, 11,5 Prozent mehr als im Vorjahr. BKA-Präsident Holger Münch wies darauf hin, dass man die Zahlen eher mit denen von 2019 vergleichen müsse, dem Jahr vor der Pandemie. Dann liegt der Anstieg bei nur 3,5 Prozent. In bestimmten Bereichen haben die erfassten Straftaten besonders zugenommen. Das gilt etwa für sogenannte ausländerrechtliche Verstöße – also wenn sich jemand nicht an das Aufenthalts-, das Asyl- oder das Freizügigkeitsgesetz hält. Solche Vorfälle zählte das BKA knapp 226 000-mal: fast 54 Prozent mehr als im Vorjahr. Vergleicht man die Zahlen mit 2019, sind es 36 Prozent mehr. Das dürfte daran liegen, dass 2022 mehr Menschen nach Deutschland flohen denn je zuvor.

„Eine bedrückende, weibliche Perspektive“

Außerdem zeigt die Kriminalstatistik, dass es mehr Gewalt gegen Frauen gibt. Im Bereich, der Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und besonders schwere Fälle sexueller Übergriffe umfasst, zählten die Behörden knapp 12 000 Fälle: 20 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar 26 Prozent mehr als 2019. Das betrifft fast immer Frauen: Gut 92 Prozent der Opfer in diesem Bereich sind weiblich. „Das ist eine bedrückende, weibliche Perspektive auf innere Sicherheit“, sagte Innensenatorin Spranger.

Innenministerin Faeser wies darauf hin, dass sich mehr Frauen trauen würden, solche Straftaten anzuzeigen. Sie betonte aber, dass das Dunkelfeld trotzdem zu groß sei. „Wir müssen außerdem Gewalt gegen Frauen klar als solche erkennen und benennen, um diese wirksam bekämpfen zu können.“ Sie kündigte an, dass frauenfeindliche Straftaten künftig genauer erfasst werden sollen.

Es wird auch mehr ermittelt

Ähnlich verhält es sich mit den Zahlen zum sexuellen Missbrauch von Kindern: 15 520 Straftaten erfasst die Kriminalstatistik in diesem Bereich, in etwa so viele wie im Jahr zuvor. Das ist ein besorgniserregend hohes Niveau, das aber auch damit zu erklären ist, dass Behörden hier inzwischen besser ermitteln und eng mit US-amerikanischen Organisationen zusammenarbeiten.

So ordnet auch Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, die Zahlen ein. „Ich teile die Einschätzung der Behörden, dass der Anstieg im Deliktsbereich sexualisierte Gewalt gegen Kinder mit einer höheren Sensibilität und Anzeigebereitschaft zu erklären ist“, sagte Hilgers dieser Zeitung. Trotzdem könne man davon ausgehen, dass viele Taten nicht erfasst würden.

Kinder in Krisenzeiten

Noch eine weitere Entwicklung fällt auf. Die Behörden haben mehr tatverdächtige Kinder registriert: gut 35 Prozent mehr als im Vorjahr – und auch 16 Prozent mehr als 2019. BKA-Präsident Münch betonte, dass Kinder allerdings größtenteils mit weniger schwerwiegenden Straftaten wie Ladendiebstahl oder Beleidigung auffallen würden – und nicht mit Gewalt. „Krisenzeiten gehen auch an Kinder und Jugendlichen nicht spurlos vorbei“, sagte Kindschutzbund-Präsident Hilgers im Gespräch mit unserer Zeitung, „die Lockdowns in der Pandemie, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die damit verbundenen Sorgen betrafen auch Kinder in ihrem Alltag.“

Das bedeute nicht, die Taten zu rechtfertigen, so Heinz Hilgers weiter: „Es gehört ins Zentrum der Debatte, dass wir die Interessen von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren massiv vernachlässigt haben.“