Das Stuttgarter Polizeimuseum steuert unaufhaltsam der Marke von 20 000 Besuchern entgegen. Wer nicht reinkommt, kann die Polizeigeschichte neuerdings auch in Buchform erleben.
Stuttgart - Da stehen sie nun: Zwei blaue Hartschalenkoffer, die für einen der gruseligsten Mordfälle Stuttgarts verwendet wurden. Am 1. Juni 2014 standen die Koffer am Rande des Schlossgartens herum, und in jedem steckte eine Leiche. Die Opfer: ein Mann und eine Frau aus der Obdachlosenszene, umgebracht von einem arbeitslosen 48-Jährigen, der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Rollkoffer, die der Mörder zur Beseitigung seiner Opfer verwendet hatte, stehen nun im Stuttgarter Polizeimuseum.
Man kann sagen, dass diese Einrichtung über die Geschichte der Stuttgarter Polizei, mit passender Adresse im Polizeipräsidium in der Hahnemannstraße auf dem Pragsattel, ein voller Erfolg ist. „Wir gehen jetzt auf die 20 000 Besucher zu“, sagt Michael Kühner, der als Vorsitzender des Polizeihistorischen Vereins das Museum mit aufgebaut hat. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil das 2015 eröffnete Museum gar nicht frei zugänglich ist, sondern erst nach Voranmeldung seine Pforten öffnet.
1500 Besucher bei Nacht der Museen
1857 Besucher im ersten Jahr, dann 7500, danach 8000: „Das Museum boomt“, sagt Kühner, der als einstiger Kripochef und stellvertretender Polizeipräsident viele der spektakulären Fälle selbst erlebt hat. Allein vor kurzem bei der Nacht der Museen zählte der 70-Jährige 1500 Besucher.
Die Polizeihistoriker gehen nun einen Schritt weiter. Die Stuttgarter Polizeigeschichte seit dem 16. Jahrhundert erleben, ohne das Museum besuchen zu müssen – das ist nun ebenfalls möglich: Michael Kühner hat mit der Technikhistorikerin Heidi Debschütz ein 160 Seiten starkes Buch veröffentlicht. „Blaulicht im Kessel – Stuttgarter Polizeigeschichte(n)“ (Südverlag, 19,90 Euro) bebildert und beschreibt die Kriminalhistorie der schwäbischen Großstadt. Dabei wird auch die politische Rolle der Polizei nicht ausgespart – sei es während des Dritten Reichs, während der Zeit des RAF-Terrors, sei es beim Umgang mit dem Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21. Ein düsteres Kapitel, mit einer „überforderten Polizei“ und einem Einsatz, der im „Desaster“ geendet habe.
Die Herausforderungen der Zukunft
Freilich gibt es nicht nur Rückblicke – etwa auf den Mord an der Operndiva Anna Sutter im Jahre 1910, auf den Fall des Hammermörders 1985, der ein Stuttgarter Polizeibeamter war, auf den unheimlichen Telefonzellenbomber des Jahres 1995 oder auf den sogenannten Zementmord im Jahr 2007, bei dem ein 19-Jähriger aus Eifersucht getötet und zerstückelt wurde und die Täter anschließend die Leichenteile in Betonkübeln entsorgt hatten, ehe die Tat in Stuttgart aufflog.
Kühner, seit 2008 im Ruhestand, blickt von außen auch auf die polizeilichen Herausforderungen der Zukunft. Schleuserbanden, Cyberkriminalität, islamistischer Terror und politischer Extremismus mit vielen neuen technischen Möglichkeiten für Täter bedeuten für die Polizei einen Personal- und Sachaufwand „in deutlich höherem Maße“. Das kann er als Polizist a.D. leicht fordern – unrecht hätte er ja nicht.
Dabei wird die polizeiliche Arbeit nicht leichter: „Immer öfter sind Alkoholexzesse in einer multikulturellen, konsum- und freizeitorientierten Event- und Jugendszene mit aggressivem Widerstand gegen die einschreitenden Beamten verbunden“, klagt Kühner.
Er kann allerdings nur hoffen, dass diese modernen Erscheinungsformen auch bald reif fürs Museum sind.