Der Polizeichef Siegfried Stumpf hat in der Stuttgarter Hospitalkirche ein unruhiges Publikum erlebt.  

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Dieser Satz hat für Unruhe im Kirchenraum gesorgt. "Der Bürger hat das Recht, morgens unversehrt aus dem Haus zu gehen und abends sicher zurückzukehren", sagte der Polizeipräsident Siegfried Stumpf. Verärgerte Aufschreie schlugen ihm entgegen. Denn im Publikum saßen am Dienstag bei der Veranstaltung "Stuttgarter Profile" in der Hospitalkirche viele Stuttgart-21-Gegner, die den "schwarzen Donnerstag" am 30.September miterlebt hatten. Unter ihnen auch ein Mann, der danach nicht unversehrt nach Hause kam, sondern schwer verletzt ins Krankenhaus: Der Strahl eines Wasserwerfers hat Dietrich Wagner so getroffen, dass der Rentner fast erblindet ist. Zum ersten Mal begegnete Wagner nun dem Mann, der für diesen Einsatz die Verantwortung übernahm.

 

Die Zuhörer wollten den geplanten Vortrag "Wie viel Sicherheit braucht unser Zusammenleben" nicht hören. Vielmehr erhofften sie sich Antworten von Siegfried Stumpf. "Stimmt es, dass der Einsatz falsch geplant war?" "Hat die Polizei die Einsatzvorschriften für Wasserwerfer und Pfefferspray eingehalten?" "Können Sie nachts schlafen, Herr Stumpf, denn ich kann es seit dem 30.September nicht mehr?" So prasselten die Fragen und Vorwürfe auf Stumpf ein. Der Pfarrer Eberhard Schwarz versuchte als Moderator Ruhe in die Runde zu bringen - es gelang ihm nicht.

Stumpf: Auch bei uns hat der Einsatz Spuren hinterlassen

Mit den Antworten des Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf waren die Zuhörer nicht zufrieden, auch das taten sie lautstark kund. "Es gab eine klare Rechtsgrundlage", sagte er, daher sei der Einsatz "rechtmäßig" gewesen. Die Polizei habe die Staatsanwaltschaft beauftragt, zu untersuchen, ob Pfefferspray und Wasserwerfer zu Recht eingesetzt wurden. "Das haben wir von uns aus getan", sagte Stumpf. Bevor das Ergebnis nicht vorliege, bleibe er dabei, dass der Einsatz rechtmäßig war.

Siegfried Stumpf hatte zu Beginn seiner Ausführungen auf die Frage des Moderators, wie er den Tag verarbeitet habe, gesagt, die Polizei bedauere den Lauf der Ereignisse durchaus. "Auch bei uns hat der Einsatz Spuren und Nachdenklichkeit hinterlassen", sagte der Chef der Stuttgarter Polizei. Bei diesen Worten blieb es noch ruhig in der Kirche. Als Stumpf anhob, über das Verhältnis von Bürgern und Polizei zu sprechen, hagelte es lautstarken Protest. "Sie haben das Ansehen der Polizei in Stuttgart mit ihren Entscheidungen auf Jahrzehnte hin zerstört", rief Dietrich Wagner.

Zwischen all den Angriffen ging ein Lob an den Polizeipräsidenten beinahe unter. Der Pfarrer Eberhard Schwarz wiederholte es daher über das Mikrofon. Die Worte kamen von Dietrich Wagner, der es - bei allen Vorwürfen, die er hegt - gut fand, dass Stumpf sich dem Gespräch stellte: "Ich weiß nicht, ob ich die Courage gehabt hätte, mich dieser Situation auszusetzen", sagte der 67-Jährige, dessen Foto mit blutüberströmten Gesicht nach dem 30. September traurige Berühmtheit erlangt hatte. Nach der Veranstaltung äußerte sich Wagner aber auch enttäuscht. "Wir haben keine Antworten bekommen", sagte er. Auch eine Entschuldigung Stumpfs, die nicht Wagner, sondern andere Diskussionsteilnehmer eingefordert hatten, blieb aus.