Heiningen ist nicht Hayingen. Das ist offenbar nicht jedem Beamten im Ulmer Polizeipräsidium bekannt. Im Kreis Göppingen ist diese peinliche Verwechslung jetzt bei einer Sicherheitskonferenz zwischen Polizei und Bürgermeistern diskutiert worden.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen/Heiningen - Fehlt der Polizei nach der großen Polizeireform vielfach die erforderliche Ortskenntnis? Ein Fall, der sich vor vier Wochen im Kreis Göppingen ereignet hat, scheint diese immer wieder geäußerteVermutung zu bestätigen. Damals hatten sich zwei junge Frauen auf der nächtlichen Heimfahrt von Göppingen nach Dürnau von einem unbekannten Lieferwagen verfolgt gefühlt. Ihr Notruf landete beim Polizeipräsidium in Ulm. Der dortige Beamte verwechselte Heiningen mit Hayingen auf der Schwäbischen Alb. Sein Ratschlag klang den jungen Frauen dann wie ein schlechter Witz. Sie sollten doch zum nächsten Polizeirevier nach Ehingen (Alb-Donau-Kreis) oder Münsingen (Kreis Reutlingen) fahren.

 

Inzwischen hat sich die Polizei bei den beiden Frauen im Alter von 17 und 18 Jahren und bei ihren Eltern entschuldigt. „So etwas kann, darf aber nicht passieren“, sagt der Sprecher der Polizei, Rudolf Bauer. Vielleicht wäre es ohnehin am besten gewesen, den verängstigten Frauen gleich eine Polizeistreife zu Hilfe zu schicken.

„Missverständnis hat nichts mit der Reform zu tun“

Trotzdem: „Wenn der eine mehrfach etwas anderes versteht, hat das nichts mit der Polizeireform zu tun“, sagt der Ulmer Polizeipräsident Christian Nill zu dem Fall. Die Akteure im Kreis Göppingen sehen das allerdings anders. „Solche Missverständnisse passieren nicht, wenn ein Notruf in Göppingen rauskommt“, sagt der Heininger Bürgermeister Norbert Aufrecht. Bis zur Auflösung der eigenständigen Göppinger Polizeidirektion zum Jahresanfang war dies der Fall gewesen.

Für Aufrecht handelt es sich um ein konkretes Beispiel für die Probleme der Polizeireform. Er höre immer wieder von Polizisten an Ort, dass sie von den Ulmer Sachbearbeitern um Hilfe gebeten werden, weil denen die Ortskenntnis fehle. „Die Kollegen sagen, der Verwaltungsaufwand sei eher höher geworden als niedriger.“ Diese Kritik äußerte Aufrecht auch bei einer nichtöffentlichen Sicherheitskonferenz, zu der Nill und sein Ulmer Führungsstab kürzlich ins Göppinger Landratsamt gekommen waren.

Der Kreis Göppingen ist das Bermudadreieck

Für Nill ist Göppingen unter den fünf Kreisen, die zum neuen Polizeipräsidium Ulm gehören, so etwas wie das Bermudadreieck. Hier werde mit der neuen Struktur noch am meisten gefremdelt, räumt Nill ein. Ziel der Sicherheitskonferenzen, die künftig regelmäßig auf Kreisebene stattfinden sollen, sei es deshalb, den offenen Dialog zwischen Polizei und Kommunalpolitik zu führen. Von den zahlreich erschienenen Bürgermeistern wurde dieses Bemühen anerkannt. „Es kommt aber auch darauf an, dass es Folgen hat und nicht verpufft“, sagt Aufrecht.

Tatsächlich habe sich die Polizei nicht nach Ulm zurückgezogen, findet Nill. Als zum Jahresanfang eine Frau im Rubensweg von ihrem ehemaligen Lebensgefährten verbrannt worden war, sei das Lagezentrum selbstverständlich in Göppingen eingerichtet worden. Auch persönlich ist Nill um Präsenz bemüht. So besuchte er am Freitagabend eine Rot-Kreuz-Veranstaltung in Ebersbach. Selbst der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till ist überrascht, wie häufig sich der Polizeipräsident im Kreis zeigt. „Mir ist das wichtig“, sagt Nill. Mit öffentlicher Kritik hält sich Till deshalb seit einiger Zeit deutlich zurück.

Keine Verfolgungsjagd, nur Bremsübungen

Der Fall von Heiningen und Dürnau ist übrigens mittlerweile geklärt. Zwei junge Männer meldeten sich nach dem StZ-Bericht beim Revier in Eislingen und gaben zu, in dem Wagen gesessen zu sein. Sie hätten Bremsübungen gemacht, erklärten sie ihr auffälliges Verhalten. Außerdem meinten sie, eine ehemalige Klassenkameradin im anderen Wagen erkannt zu haben. Deshalb seien sie den beiden Frauen gefolgt. Einen Schrecken hätten sie ihnen nicht einjagen wollen. Der Fall geht demnächst an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung.