Die interne Kritik reißt nicht ab. Aber die Führung der Landespolizei sieht keinen Anlass, die Polizeireform nachzubessern. Es gebe keine Alternative, heißt es.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Schlecht gerechnet sei die baden-württembergische Polizeireform, teilweise ungerecht und protektionistisch – so lässt sich die Kritik zusammenfassen, die innerhalb der Polizei geäußert wird. Im Oberland, wo die bisherigen württembergischen Polizeidirektionen Ravensburg, Friedrichshafen und Sigmaringen unter einem badischen Polizeipräsidium Konstanz zusammengefasst werden, gärt besonders der Unfrieden. Aber auch in Freiburg, wo die Landespolizeiakademie abgezogen wird, oder in der Stadt Tübingen, die im Ringen um einen Präsidiumssitz das Nachsehen gegen Reutlingen hatte, dem Wahlkreis des Finanzministers Nils Schmid (SPD). In Reutlingen, so argwöhnen Leitungskräfte, werde womöglich sogar ein völlig neues Präsidiumsgebäude gebaut, obwohl Tübingen in nur 15 Kilometer Entfernung über ein brauchbares Polizeihochhaus verfüge.

 

Alles falsch, sagt nun Gerhard Klotter, Inspekteur der Polizei und damit ranghöchster Träger der blauen Uniform im Land. „In Reutlingen wird aus unserer Sicht mittelfristig nicht gebaut.“ Lediglich für ein modernes Führungs- und Lagezentrum müsse Fläche her, das erfordere aber höchstens Anbaumaßnahmen an das bestehende Polizeigebäude. Für die frei werdenden Flächen in Tübingen gebe es eine „Anschlussnutzung“ durch das Regierungspräsidium. Die Mittelbehörde werde vor dem Einzug, sagte Klotter, bestehende Mietverhältnisse auflösen, so dass effektiv Geld gespart werde.

Neue Fragen zum Präsidium Tuttlingen

Das sei ein Immobilienmanöver unter Leitung des Finanzministeriums, aber keine polizeitaktisch sinnvolle Maßnahme, beharren die Kritiker. Der Vorwurf, diverse prominente Politiker im Land hätten beim Neuzuschnitt der Polizei Sonderlösungen zu eigenen Gunsten erwirken können, ist mittlerweile auch auf Tuttlingen ausgeweitet worden. Aus Tuttlingen stammt der langjährige CDU-Landrat und amtierende Landtagspräsident Guido Wolf. An das dort bestehende Polizeigebäude wird im Zuge der Reform aufwendig angebaut – zum Nachsehen von Villingen-Schwenningen. Tatsächlich jubelte Wolf schon am Vorabend der März-Pressekonferenz, bei der Innenminister Reinhold Gall (SPD) die Reform im Detail öffentlich machte, sein Einsatz für Tuttlingen habe sich gelohnt.

Gerhard Klotter nennt den Verdacht, dem CDU-Landtagspräsidenten sei ein Geschenk gemacht worden, schlicht „Käse“. In Tuttlingen stehe ein modernes Gebäude, für das sich ein Anbau lohne. Dadurch würden in Villingen-Schwenningen zwei betagte Polizeigebäude frei. Das eine in Landesbesitz könne verkauft werden, aus dem anderen ziehe die Polizei als Mieter aus. Das Spargebot der Landesregierung werde also auch in diesem Fall eingehalten.

Alternativen sind geprüft und verworfen worden

Dass es politischen Druck gab und gibt, räumt Klotter ein. Im Auftrag Galls habe seine Abteilung deswegen eine Ausweitung von zwölf auf dreizehn oder vierzehn Präsidien geprüft. Ergebnis: eine Vermehrung der Raumzuschnitte sei sinnlos. Idealerweise verfüge jedes der neuen Präsidien über 1500 Leute, mindestens aber über 1200, darunter stets rund 200 Kriminalbeamte. So könnten die Präsidien alle Bereiche der Kriminalitätsbekämpfung eigenständig und ohne Nachbarhilfe abdecken. Anschaffungen für die EDV, Labormaterial oder andere Ermittlungstechnik könnten in Zukunft günstiger gemacht werden. Bis jetzt stattet das Land 37 Polizeidirektionen aus. „Ich erwarte, dass wir über die Konzentration kostengünstiger werden als vorher“, sagt der Polizeiinspekteur. „Es geht doch im Wesentlichen darum, Polizeiarbeit überhaupt noch finanzierbar zu machen.“

Bleibt noch das kritische Argument ranghoher Polizeibeamter, die Konzentration auf nur noch zwölf Präsidiumsstandorte führe zu einer täglichen Dauerpendelei von Polizeikräften mit fragwürdiger Ökobilanz. Ob das wirklich so sei, werde in einem „Querschnittsprojekt“ geprüft, sagt Klotter. Er selber hat Zweifel daran, dass nach der Reform wertvolle Arbeitsstunden für Autofahrten vergeudet werden und die Benzinkosten vehement steigen. Nur Leitungspersonal werde künftig in die neuen Zentralen fahren müssen sowie „die überwiegende Zahl der Kripobeamten“. Es sei für das Gros der Polizisten und die Bevölkerungen deswegen bedeutungslos, wo sich die Präsidien letztlich ansiedelten.

Pendlerklagen stoßen bei Klotter auf besonderes Misstrauen. Seit er Inspekteur wurde, fährt er selber im ICE täglich von Mannheim nach Stuttgart. Im öffentlichen Nahverkehr, sagt er mit gefährlichem Lächeln, gebe es günstige Jahreskartentarife.