Innenminister Gall muss bei der Reform der Polizei intern mit Widerstand rechnen. Einige Beamte fürchten, dass die Präventionsarbeit künftig auf der Strecke bleibt.

Stuttgart - Ob Innenminister Reinhold Gall gelingt, was seinem SPD-Parteifreund Frieder Birzele einst versagt blieb? Birzele leitete das Innenressort zu Zeiten der Großen Koalition in den Jahren 1992 bis 1996. Auch er wollte damals Polizeidirektionen fusionieren: 14 bis 18 Standorte hatte er damals auf Anraten eines externen Beratungsbüros vorgeschlagen. Doch Ministerpräsident Erwin Teufel legte sein Veto ein. Landräte und Kommunalpolitiker hatten sich erfolgreich gegen den Verlust ihrer Polizeidirektion gewehrt.

 

Diesmal stellt die SPD zwar wieder nicht den Regierungschef, doch die CDU sitzt in der Opposition. Die CDU-Abgeordneten haben an Einfluss verloren, sind aber immer noch in der Lage, vor Ort den Protest der kommunalen Amtsträger zu mobilisieren. Offiziell äußert sich die Opposition im Landtag noch zurückhaltend. Man wolle Gall die Chance geben, sein Konzept im Detail darzulegen, heißt es. Das wird am Dienstag geschehen. Parlamentspräsident Guido Wolf (CDU), ehemaliger Landrat in Tuttlingen, sagt, er halte "eine Identität von Gebietskörperschaft und Polizeistruktur für sinnvoll". Im Klartext: die Polizeidirektionen sollten mit den Landkreisen deckungsgleich sein. Das erleichtere etwa den Sozial- oder Jugendämtern die Zusammenarbeit mit der Polizei.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagt, die Polizei zeige "gute Ergebnisse, weil sie ist, wie sie ist". Jüngst beschäftigte sich auch das Präsidium des Landkreistages mit dem Thema. "Wir begrüßen es, wenn der Innenminister mehr Personal in die Fläche bringen will", sagt Eberhard Trumpp, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages. "Nur muss man uns sagen, wie das Verhältnis von Kreispolizeibehörde und Vollzugspolizei dann aussehen soll."

"Die Notwendigkeit der Reform muss man erst mal belegen"

Ungewohnt unaufgeregt nimmt die Polizeibasis die Nachricht von den sich anbahnenden Zusammenlegungen zur Kenntnis. "Wir haben keine Grundhaltung der Ablehnung", sagt Manfred Klumpp, der Landesvorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten (BDK). Die Polizeigewerkschaften erfuhren schon im Herbst 2011 von den Gall'schen Zusammenlegungen, wenn auch Details über Personal und Standorte fehlten. "Wir haben sicher Optimierungs- und Zentralisierungsmöglichkeiten", sagt Klumpp. Er spricht die Bereiche der organisierten Kriminalität, der Wirtschafts- und Internetkriminalität mit ihren teilweise schnell wachsenden Fallzahlen an. "Das kann man dezentral fast nicht mehr leisten." Allerdings dürfe die Reform nicht zu Lasten der Präsenz vor Ort gehen. "Wir brauchen auch die Polizei in der Fläche."

Es sind diesmal, und das ist neu, die Polizeidienststellenleiter im Land, die eine mahnende Rolle einnehmen. Die angestrebte Reform sei Thema mehrerer Dienststellenleitertagungen gewesen, das jetzt öffentlich werdende Ergebnis "keine Überraschung", sagt Günther Freisleben, der Leiter der Polizeidirektion Schwäbisch Hall. Er fügt hinzu: "Die Notwendigkeit der Reform muss man erst mal belegen."

Leidet die Präventionsarbeit?

Freisleben ist amtierender Landesvorsitzender des CDU-Arbeitskreises Polizei, in dem eine hohe Zahl verantwortlicher baden-württembergischer Polizeibeamter Mitglied ist. Er spricht also für viele Dienststellenleiter, wenn er sagt: "Wenn die unbestritten beste Polizei Deutschlands grundlegend strukturell geändert werden soll, muss man das begründen." In einem Gespräch mit dem Minister Gall habe er das Versprechen bekommen, dass vor Strukturänderungen eine sogenannte "Swot-Analyse" (Strenghts/Stärken, Weaknesses/Schwächen, Opportunities/Chancen und Threats/Bedrohungen) des gesamten Polizeiapparats in Auftrag gegeben werde.

Konkrete Bedenken hat der Polizeichef bei der Zusammenlegung der Einsatzzentralen, in denen die 110-Notrufe auflaufen. Sie seien nicht zu verwechseln mit einem "Callcenter", das notfalls auch in "Indien" beheimatet sein könne. Zu jeder Reaktion auf einen eingehenden Notruf gehöre stets die "taktische Bewertung", die wiederum Ortskenntnisse bedinge. "Je weiter Sie weg sind, desto schlechter können Sie taktisch bewerten", sagt Freisleben. Wenn es um die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet oder Geldwäscheverbrechen gehe, mache es Sinn, Kompetenzen und Kräfte zu bündeln. "Da hat Gall recht."

Doch Freisleben befürchtet, dass beispielsweise die Präventionsarbeit leidet. Wer wird in Landkreisen, die ihre Polizeidirektion verlieren, künftig vor Ort Kindern auf dem Fahrrad Regeln beibringen oder Beratung gegen Einbrüche in Häuser leisten? "Keiner", glaubt er.