Die Polizei in Baden-Württemberg wird zentralisiert. Die Landesregierung sagt, das stärke die Präsenz der Beamten in der Fläche.

Stuttgart - Nun ist es heraus. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat die Standorte für die künftig zwölf Regionalpräsidien der Polizei in Baden-Württemberg offenbart, dazu für die drei Präsidien für Einsatz, Technik und Bildung. Die Zentralisierung, die mit der Polizeireform einhergeht, wird ein Stück weit dadurch abgemildert, dass sich die den künftigen Polizeipräsidien nachgeordneten Kriminaldirektionen und Kriminalkommissariate in der Fläche verteilt finden. Ein Beispiel: Aalen übernimmt die Zentralfunktion für den Ostalbkreis, den Kreis Schwäbisch-Hall und den Rems-Murr-Kreis. In Waiblingen aber wird die Führung der Kriminalpolizei angesiedelt, und in Schwäbisch-Hall verbleibt immerhin noch ein Kriminalkommissariat.

 

Mit der Reform wird der – je nach Sichtweise – drei- respektive vierstufige Aufbau der baden-württembergischen Polizei um eine Ebene verflacht. An der Spitze dirigiert weiterhin das Landespolizeipräsidium im Stuttgarter Innenministerium den Sicherheitsapparat. Am anderen Ende der Pyramide bleiben die 146 Polizeireviere und knapp 360 Polizeiposten unangetastet. Hingegen werden die Polizeiabteilungen in den vier Regierungspräsidien sowie die bisher 34 Polizeidirektionen und drei Polizeipräsidien zu insgesamt zwölf Regionalpräsidien zusammengefasst. Das Präsidium Mannheim übernimmt zusätzlich den Rhein-Neckar-Kreis, zu Karlsruhe kommen Pforzheim und Calw, nur Stuttgart bleibt ein Solitär. Das Flächenpräsidium mit den meisten Beamten ist künftig Karlsruhe (knapp 2400) vor Stuttgart (2200). Zum Vergleich: die bisher kleinste Polizeidirektion auf Kreisebene – Künzelsau (Hohenlohekreis) – hat 190 Beamte.

Reform soll stärkere Spezialisierung ermöglichen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach am Dienstag nach der Kabinettssitzung von einer „grundlegenden Reform der Polizei, die aus der Polizei heraus entstanden“ sei. Als erstes Ziel nannte Kretschmann, der Polizei eine stärkere Spezialisierung zu ermöglichen. „Heute müssen sogar schon größere Verkehrsunfälle von Spezialisten aufgenommen werden“, sagte der Regierungschef. Zweites Ziel sei, mehr Beamte in die Fläche zu bringen, drittens gehe es um die Einrichtung eines Kriminaldauerdienstes. Bis jetzt ist es so, dass etwa bei einem Gewaltverbrechen in der Nacht erst die Beamten aus den Betten geklingelt werden müssen. In dieser Zeit sichert die Streifenwagenbesatzung den Tatort. Künftig stehen – wie jetzt schon in Stuttgart – Kriminalpolizisten Tag und Nacht in Bereitschaft. Der Nachteil ist allerdings, dass sie gegebenenfalls längere Anfahrtswege haben.

Nach den Berechnungen der Projektgruppe im Innenministerium ergibt sich aus der Reform ein Effizienzgewinn von 650 Stellen im Polizeivollzugsdienst und von 240 Stellen im Nichtvollzugsdienst, also bei den „zivilen“ Mitarbeitern. Die frei werdenden Stellen sollen je zur Hälfte die Polizeireviere in der Fläche und die Kriminalpolizei verstärken. Gall nannte die Bekämpfung der Internetkriminalität als Bereich, der dringend zusätzliche Fachleute benötige. „Banküberfälle finden heute im Internet statt, dort werden die großen Geldmengen abgegriffen.“

Auch die Verkehrsinfrastruktur spielte eine Rolle

Innenminister Gall sagte, die Standorte seien ausschließlich nach polizeilichen Kriterien ausgewählt worden. Demnach wurden die Kriminalstatistik, Verkehrsunfallzahlen und Einsatzschwerpunkte herangezogen. Außerdem spielte die Verkehrsinfrastruktur eine Rolle. Und natürlich wurde auch geschaut, welche Gebäude zur Verfügung stehen. Nach Galls Auskunft erfordert die Reform über mehrere Jahre hinweg Investitionen von 120 bis 170 Millionen Euro. Gall sagte, „von einem Rückzug der Polizei aus der Fläche kann in keiner Weise gesprochen werden.“ Er müsse die Polizei aber so aufstellen, dass sie mehr Aufgaben erfüllen könne, ohne zusätzliches Personal zu erhalten. Die Reform muss noch durch den Landtag, da unter anderem das Polizeigesetz betroffen ist. 2013 und 2014 soll sie umgesetzt werden.

Im Zuge der Reform wird auch die Ausbildung und Bildung neu organisiert, der Bereich soll ein eigenständiges Präsidium „Bildung und Personalgewinnung“ werden. Projektleiter der Umsetzung wird der derzeitige Rektor der Hochschule für Polizei Villingen-Schwenningen, Professor Alexander Pick (52). Die bisherige Polizeiakademie des Landes mit Sitz in Freiburg und Außenstelle in Wertheim wird nach Böblingen verlegt, als Institut für Fortbildung und Management. Die Grundausbildung wird hingegen als Institut für Ausbildung und Training an den Standorten Lahr (Ortenaukreis) und Biberach konzentriert. Lahr verliert jedoch den Standort der Bereitschaftspolizei.

Polizeiakademie wird von Freiburg nach Böblingen verlegt

Die Verlegung der Polizeiakademie aus Freiburg und Wertheim nach Böblingen wird wohl bis 2016 erfolgen. Die meisten der rund 180 Beschäftigten, darunter 42 Dozenten, werden wohl nicht einfach umziehen können, vor allem die nicht beamteten Arbeitskräfte. Der Freiburger Akademieleiter Peter Egetemaier sagte am Dienstag der StZ: „Fachlich gesehen halte ich die Entscheidung für falsch“. Weil sich schon nach der Ankündigung der Schließung in Freiburg viele langjährige Dozenten anderweitig bewerben werden, fehle diese Kompetenz für die Bildungsarbeit.

Die „schmerzhafte Entscheidung“, so Egetemaier, sei wohl nur aus finanziellen Gründen erfolgt. Gebäude und Infrastruktur müssten mit einem höheren zweistelligen Millionenbetrag renoviert werden, das habe wohl den Ausschlag gegeben, vermutet der Beamte, der gleichwohl im Grundsatz der Polizeireform zustimmt und auch die unbequeme Abwicklung in Freiburg umsetzen wird. Allein im vorigen Jahr habe die Akademie rund 24 500 Teilnehmer geschult.