Die Opposition im Landtag zumindest sieht sich beim Thema Polizeireform hinters Licht geführt. Das Innenministerium aber hält dagegen.

Stuttgart - Nach dem Bekanntwerden von deutlich höheren Kosten für die Polizeireform im Südwesten hat die SPD im Landtag dem Innenminister eine Täuschung der Öffentlichkeit vorgeworfen. „Es werden plötzlich Kostenposten über die Hintertür eingeführt, von denen letztes Jahr noch keine Rede war“, sagte SPD-Fraktionsvize Sascha Binder einer Mitteilung vom Samstag zufolge. „Das ist ein völlig intransparentes und unseriöses Regierungshandeln“, meinte der Oppositionspolitiker. Mit der Reform verändert Grün-Schwarz die Polizeistruktur, die unter der grün-roten Vorgängerregierung in Kraft getreten war.

 

„Schöngerechnete Mogelpackung“

Binder warf Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor, die Menschen mit einer „schöngerechneten Mogelpackung“ hinters Licht geführt zu haben. Medien hatten zuvor berichtet, die Korrekturen an der Polizeistruktur im Land kosteten 120 Millionen Euro - statt der 71 Millionen Euro, von denen voriges Jahr die Rede gewesen war.

Ein Innenministeriumssprecher hatte die Zusatzkosten damit begründet, dass nun detaillierte Informationen vorlägen. Laut einem neuen Papier des Ministeriums, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, werden die Kostensteigerungen mit zusätzlichem Stellenbedarf und Baumaßnahmen sowie mit technischen Ausrüstungen begründet. Schon 2017 sei klar gewesen, dass es teurer würde. „Von weiteren, noch zu konkretisierenden, baulichen und finanziellen Auswirkungen ging der Ministerrat aus“, heißt es in der Kabinettsvorlage.

Das Kabinett soll noch vor der Sommerpause am 24. Juli über die Vorlage entscheiden. Die Stellen und die Sachmittel müssten dann im Zuge der Haushaltsplanungen in die künftigen Etats einfließen. „Es stellt sich nun einmal mehr die Frage, in welchem Verhältnis Kosten und tatsächliche Verbesserungen für die Polizeiarbeit stehen“, sagte Binder.

Überwachung von Gefährdern

Die Polizei will sich mit einer neuen Struktur besser aufstellen, um sich etwa den gestiegenen Anforderungen im Kampf gegen den Terrorismus zu stellen. Als Beispiel nennt das Papier die aufwendige Überwachung von islamistischen Gefährdern. Die Korrekturen sehen vor, dass die Zahl der Polizeipräsidien zum 1. Januar 2020 von derzeit 12 auf 13 steigen soll. Während in Ravensburg und Pforzheim zwei neue Präsidien entstehen, fällt das Präsidium in Tuttlingen zum Ende 2019 weg. Gebaut werden soll auch eine neue Kriminalpolizeidirektion in Calw.

Allein die Baumaßnahmen schlagen laut Kabinettsvorlage zwischen 2020 und 2026 - einschließlich eines Risikozuschlags - mit rund 80 Millionen Euro zu Buche. Zulegen soll sich die Polizei auch neue Spezialtechnik, darunter Foto- und Funktechnik und Anlagen für die Geschwindigkeitsmessung. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit will sich die Polizei stärken. „Polizeimeldungen zählen zu den meistgelesenen Texten in den Tagezeitungen und ihren Online-Angeboten“, heißt es in dem Papier zur Begründung für die Stellen.