Schätzungsweise 500 Schüler in der Region Stuttgart haben zum Schuljahresbeginn vergeblich auf ihre VVS-Fahrscheine gewartet. Der Grund dafür: der Vertriebsweg für die neue Mobilitätskarte wurde umgestellt. Der Verkehrsverbund verspricht, unbürokratisch zu helfen.

Verkehrsverbund - Für Werner Müller (Name geändert) aus Ludwigsburg ist es ein Ärgernis: Die Schule hat schon vor gut einer Woche wieder begonnen, dennoch hat sein Sohn für den Schulweg immer noch nicht das längst bestellte VVS-Scool-Abo-Ticket bekommen. Auf Nachfrage erfuhr er im Schulsekretariat, er sei keineswegs ein Einzelfall. Sein Anruf bei einer Hotline im Abozentrum offenbarte: die dortigen Mitarbeiter sind mit der Lage überfordert.

 

Laut dem Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) waren und sind schätzungsweise 500 Schüler von der Misere betroffen – in Anbetracht der Summe von knapp 100 000 Scool-Abos im Verbund sei das zwar ärgerlich, aber nicht dramatisch. „Wer jetzt ein Wochen- oder Einzelticket kaufen musste, dem werden wir die Kosten dafür schnell und unbürokratisch erstatten“, versichert Horst Stammer, der VVS-Geschäftsführer, „ein Anruf genügt.“ Er sei zuversichtlich, dass alle Tickets in den nächsten Tagen korrekt verteilt würden.

Die SSB stellt später um

Die Panne kommt zur Unzeit. Denn eigentlich stehe der VVS zurzeit „vor einer technischen Revolution“, schwärmt Stammler. Die alten Papier-Wertmarken würden bei rund 70 000 Scool-Tickets in der Region (außerhalb Stuttgarts) gerade auf die neue Polygo-Karte umgestellt. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) wird erst im Februar 2016 umstellen. Dieses digitale Ticket im Scheckkartenformat bringe den Nutzern viele Vorteile (siehe „Eine Karte, viele Möglichkeiten“).

Wenn etwa Schüler ihr Verbundticket verlören oder ein paar Wochen pausieren wollten, könne die Karte bequem per PC gesperrt oder temporär blockiert werden. Zudem sei eine Vielzahl weiterer Nutzungen damit möglich: neben Carsharing und dem Leihen von E-Bikes sei auch das Zahlen von Parkhaustickets oder eine Vernetzung mit Stadtbibliotheken denkbar. Rund 2000 Polygo-Karten sollen laut Stammler sogar in einem Pilotprojekt mit der BW-Bank als Geldkarten funktionieren.

Der VVS-Chef bittet um Verständnis

Stammler betont, dass nicht das Digi-Ticket selbst der Grund für die Probleme sei. Vielmehr seien die Versandwege bei den beiden großen Abozentren umgestellt worden, bei der Firma IGP in Böblingen für die Busunternehmen und beim Zentrum der Deutschen Bahn. Bisher seien die Tickets an die Schulen verschickt und dort verteilt worden. Um die Sekretariate zu entlasten, würden die Fahrkarten neuerdings direkt zu den Kunden nach Hause geschickt – mit den üblichen Problemen bei so einer Mammut-Umstellung. „Wir bitten um Verständnis, wenn man etwas Neues anfängt, kann es immer mal haken“, sagt Stammler.

Die Versandprobleme hätten mehrere Ursachen. Einerseits habe es relativ viele  Rückläufer gegeben – wegen Umzügen oder falsch geschriebener Namen. Das habe wiederum dazu geführt, dass sich viele der fünf Mitarbeiter bei IGP mit Reklamationen beschäftigen und gleichzeitig auch noch eine Vielzahl von Rückfragen wegen der neuen Ticketform beantworten mussten. Der VVS habe IGP mit Aushilfskräften unterstützt. Hinzugekommen sei, dass die Produktion der neuen Chipkarten erst spät fertig geworden sei. Deshalb seien diese erst Ende August verschickt worden. Dass dies teilweise per billiger, aber langsamerer Infopost geschehen sei, sei nicht für die Zustellprobleme verantwortlich.

Testbetrieb stößt auf positives Echo

Laut der IGP mussten rund 150 ihrer etwa 24 000 Kunden auf ihre Tickets warten. Die Bahn mit etwa doppelt so vielen Kunden habe dieselben Probleme gehabt, was insgesamt die Schätzung von 500 Betroffenen ergibt. Stammler ist sicher, dass die Polygo-Karte gut angenommen werde. Ein Testbetrieb mit 300 Schülern in Ludwigsburg habe ein positives Echo gefunden.