Das Pop-Freaks-Festival hat am Wochenende vier Bands auf die Bühne im Kulturzentrum Merlin geholt, die man gar nicht so selten in Stuttgart zu sehen bekommt. Schlimm?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wer sich ab und zu im Merlin herumtreibt, im Jugendhaus West oder in der Nähe des Nordbahnhofs - der könnte die Bands, um die es hier geht, vor nicht allzu langer Zeit schon einmal gesehen haben. Mit Blind Butcher und Fai Baba (Freitag) sowie Gurr und die Wolf Mountains (Samstag) waren am Pop-Freaks-Wochenende also keine wirklichen Live-Raritäten auf der Bühne des Kulturzentrums Merlin zu sehen. Was ist davon zu halten?

 

Verknappung funktioniert ja immer. Was es nur ein einziges Mal zu sehen gibt, das will man dann auch auf jeden Fall gesehen haben. Wer hingegen oft auftritt, den kann man auch oft verpassen. Insofern verwundert es nicht ganz, dass das Merlin an diesem Wochenende nicht ganz so voll ist wie am Sonntag davor bei dem (seltenen!) Doppelkonzert von Voodoo Jürgens und Der Nino aus Wien. Aber in dieser Kolumne geht es ja in erster Linie um popkulturelle Güte. Und man kann sagen: die Konzerte der vier besagten Bands werden durch Wiederholung nicht schlechter.

Warum, zum Beispiel, sollte man nicht noch einmal das überdrehte Bühnenoutfit von Blind Butcher bewundern - so wie im Mai, wo das Schweizer Duo als Support von Klaus Johann Grobe da war? Warum nicht wieder den Schlagzeuger von Fai Baba im Bühnendunkel suchen, so wie schon beim Klinke-Festival im Sommer? Wieso nicht ein weiteres Mal das Duo Wolf Mountains und Gurr anschauen, jetzt eben im höchst offiziellen Rahmen im öffentlich geförderten Kulturzentrum?

Dezibelhöchstgrenzen sind ihnen egal

Man kann das auch ganz aktiv gut finden. Blind Butcher und Fai Baba treffen sich musikalisch bei den besagten Klaus Johann Grobe: die Erstgenannten eher beim Gesang (etwa beim Grauzone-NDW-Cover "Eisbär"), die Zweiten mehr beim psychedelischen Orgelsound. Es macht Spaß, das so analytisch zu hören - und natürlich gefallen auch die psychedelischen Gitarreneskapaden des Fai-Baba-Mastermindes Fabian Sigmund. Er hat sich ebenfalls in eine dunkle Bühnenecke zurückgezogen, versteckt sein Gesicht unter einer Baseballkappe, schert sich nicht um Dezibelhöchstgrenzen und liebt mit seiner Band das Repetitive.

Die Spannung, die da entsteht, entlädt sich erfreulicherweise nicht immer in, wie bei anderen Psychedelic-Rock-Bands sonst oft zu beobachten, exzessiven Gitarrensoli. Mal folgt Lärm, mal ein flirrender Orgelsound, mal doch ein Solo. Jedenfalls gilt auch hier: Wiederholung heißt nicht Langeweile.

Reinhold Buhr von Wolf Mountains wählt am Abend darauf nicht nur ein ähnliches Bühnenoutfit wie Sigmund, er steht auch an derselben Stelle. In Dockarbeiter-Optik drückt der dem Sound der Stuttgarter Band Wolf Mountains seinen Stempel auf, hält sich aber optisch weitgehend im Hintergrund. Den Show-Part übernimmt der Schulhof-Posterboy der Szene, Kevin Kuhn. Er ist der mit den Hipster-Bandshirts, in dem Fall Paul Stanley "1984, ohne Schminke" (so wie hier). Neben ihm steht Thomas Zehnle, der noch bei manch anderer Band der stets in sich ruhende, ganz oft auch kreative Pol am Bass ist.

Dieses Trio, das sieht man erst beim wiederholten Konzertbesuch, geht seinen Weg: die rohen Garagenpunk-Songs werden ein bisschen von eingängigeren Nummern abgelöst, mit denen man auch solche Leute aufs Konzert locken kann, denen Garage sonst zu wild ist. Auf das zweite Album der Wolf Mountains darf man sich jedenfalls freuen.

Und dann: Gurr

Highlight und Hype des Wochenendes sind dann, am fortgeschrittenen Samstagabend, Gurr, sprich: Görr, wie Riot Grrrls. Die pfeifen allerdings auf den feministischen Diskurs, sondern machen einfach. In einem Interview haben sie verraten, auf die Spice Girls und Avril Lavigne zu stehen. Auch das ist, weil unverkrampft, sympathisch. Andreya Casablanca und Laura Lee Jenkins wechseln ihre Co-Musiker fröhlich durch. 2015 im Juha West waren sie noch zu dritt angereist, jetzt stehen vier Menschen auf der Bühne. Die Songs wirken ein bisschen geschliffener, eingängiger - die Energie und Spielfreude ist dieselbe, jedenfalls hüpfen die beiden Musikerinnen mit ehrlich fröhlichem Gesichtsausdruck und über die Bühne. So werden Konzerte erst zu Shows, deswegen kommt man gerne wieder.

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Gurr sind vor allem ein schöner Kontrast zu der arg von Männern dominierten Stuttgarter Szene, die sich auch im Publikum natürlich wieder reichlich eingefunden hat. Der undogmatische, stellenweise selbstironische Zugang von Gurr baut aber eine Brücke zu Wolf Mountains und vor allem Kevin Kuhn: zu Gwen Stefanis "Ain't no Hollaback Girl" bitten Gurr die Damen aus dem Publikum auf die Bühne. Ein Mann gesellt sich dazu, egal, es folgt noch eine fragwürdige Version von "Helter Skelter", und dann ist schon das Licht an und die Band am Merchstand anzutreffen. Bis zum nächsten Mal!


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