Die Schallplatte lebt und auch die Sofortbildkamera ist nicht totzukriegen. Bilder, die man in die Hand nehmen kann, sind etwas Tolles, sagt die Stuttgarter Sängerin Kim. Ihr erstes Video heißt „Polaroidmoment“ – und macht Lust auf den Sommer.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Stuttgart - Zugeben, eine Sängerin zu fragen, wann sie sich entschlossen hat, Sängerin zu werden, ist nicht sonderlich originell. Aber stellen sollte man die Frage schon, also warum nicht gleich zu Anfang unseres Gesprächs. Kim Hofmann, 28, muss nicht lang überlegen: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals nicht gesungen hätte. Ich habe immer schon gesungen, jeden Tag, bis meine Geschwister durchgedreht sind.“ Insofern hat sich für Kim, wie sie sich als Künstlerin nennt, nie die Frage gestellt, welchen Beruf sie ergreifen wird: Sängerin, was sonst.

 

Sie hat auch einen Plattenspieler

Inzwischen ist Kim, die in Ellhofen bei Heilbronn aufgewachsen ist, studierte Sängerin. 2016 hat sie nach vier Jahren ihre Ausbildung im Fach Popgesang an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart abgeschlossen – mit Bestnote. Das sagt sie nicht, das erfährt man auf ihrer Homepage. Vor zwei Monaten brachte Kim ihren ersten Song heraus: „Polaroidmoment“. Kürzlich erschien das Video, danach eine Akustikversion. Was, bitte, hat ein Kind der Neunzigerjahre mit Polaroids am Hut hat?

Kim grinst. „Ich habe sogar zwei Polaroidskameras“, sagt sie. „Eine alte von meinem Vater. Und vor drei Jahren habe ich mir selbst eine gekauft. Meine Freundinnen und ich machen oft Polaroids von uns. Ich glaube sowieso, dass das Analoge wiederkommt. Die Leute haben es satt, immer nur alles online zu machen.“ Als ob sie ihre Worte unterstreichen müsse, zieht Kim das Foto einer Sofortbildkamera hervor, das sie mit zwei Freundinnen zeigt. Versteht sich von selbst, dass Kim auch einen Schallplattenspieler besitzt.

Muskelkater von den Dreharbeiten

„Polaroidmoment“ ist, wenn man so will, ein etwas anderes Liebeslied. Es geht um Freundschaften, um Erinnerungen an die Schulzeit, um starke Bilder aus der Vergangenheit, um Sehnsucht, um lange durchtanzte Nächte. „Wir sind überall verstreut, wie die letzten Polaroids“, singt Kim in der wunderbar leichten Komposition, die wie geschaffen ist für den Sommer.

Aber nicht sämtliche Freundinnen waren in alle Himmelsrichtungen verstreut, zwei waren zur Stelle, als es darum ging, das Video aufzunehmen. Stundenlang sind die jungen Frauen auf Fahrrädern durch den Stuttgarter Schlossgarten gekurvt, begleitet von einem Kameramann, der auf einem Fahrradwagen saß. Immer wieder dieselbe Runde, stets die Lippen synchron zum Song bewegt. „Hinterher hatte ich Muskelkater“, sagt Kim.

Eigentlich läuft alles prima in der noch jungen Karriere der Sängerin Kim. Aus dem Start schaffte es „Polaroidmoment“ auf die vorderen Ränge der Deutschpop-Playliste von Spotify. Und mit Etage Noir Recordings, dem Label des österreichischen Electroswing-Pioniers Parov Stelar, ist Kim bei einer renommierten Plattenfirma gelandet. Eigentlich hätte sie in diesen Tagen in Wien sein und „Polaroidmoment“ in Morgen-Shows von Hörfunk- und TV-Sendern darbieten sollen. Aber das Coronaproblem, jeder Mensch, der von öffentlichen Auftritten lebt, kann davon ein Lied singen.

Gesangsunterricht via Skype

Also sitzt Kim in ihrer Wohnung im Stuttgarter Osten, erteilt via Skype Gesangstunden oder probt mit Freunden im Musikzimmer neue Songs ein. „Der Online-Unterricht“, sagt Kim, „ist natürlich eine Notlösung. Wirkliche Feinheiten hörst Du über Skype kaum heraus. Aber dennoch ist das wichtig, damit die Schüler nicht aus der Übung kommen.“ Apropos Schüler. In der Mehrheit sind es Schülerinnen, die, animiert durch Casting-Shows wie „The Voice Kids“, ihre Stimme ausbilden lassen. Kim: „Es ist schön, dass sie sich trauen, sich offenbaren. Als Sänger bist du verletzbarer wie als Musiker mit Gitarre in der Hand.“

Frage an die Fachfrau für Gesang, die auch schon im Stuttgarter Jazzclub Bix mit Soulklassikern aufgetreten ist: Was macht eine gute Stimme aus? Natürlich gäbe es großartige Stimmen, sagt Kim: „Aber das Wichtigste ist, dass Du ein Gefühl transportieren kannst. Deshalb lieben wir doch alle Musik, weil sie uns berührt.“

Klingt so, als würde man von Kim noch mehr hören.