Populärer Grüner Heiner Von der Mülldeponie zum Wahrzeichen

Das Windrad auf dem Grünen Heiner dreht sich seit März 2000. Die Tage dieser Anlage sind aber gezählt. Foto: Simon Granville

Das bekannteste Windrad in der Region Stuttgart steht auf dem Grünen Heiner. In luftiger Höhe drehen sich die Rotoren seit fast einem Vierteljahrhundert auf dem Schuttberg zwischen Weilimdorf und Korntal-Münchingen. Die Pläne für die Zukunft? Groß!

Die Freude war riesig bei Wolf Ohl und seinen Mitstreitern, als das Windrad auf dem Grünen Heiner stand, sich die Rotoren der rund 70 Meter hohen Anlage drehten, drehten, drehten. Der Korntaler hatte vor 24 Jahren zu einer Feier zu sich nach Hause eingeladen, um auf das Ereignis anzustoßen – den Blick aus dem Fenster dabei fest auf das Windrad gerichtet. „Ich habe mich sehr gefreut, dass es so weit kam und bin froh, dass es den Grünen Heiner gibt“, sagt Wolf Ohl.

 

Der Grüne Heiner, der 395 Meter hohe grüne Hügel, steht zu einem Drittel auf Korntal-Münchinger Gemarkung, zwei Drittel gehören der Landeshauptstadt Stuttgart. Um das nicht zu übersehende Windrad im Norden von Stuttgart-Weilimdorf, unweit der A 81, wurde lange gerungen. Noch immer ist es das einzige in Stuttgart. Im Kreis Ludwigsburg gibt es in Ingersheim seit April 2012 ein 180 Meter hohes Windrad.

Viel Gegenwind für Windradpläne

Für den Grünen Heiner kamen in den 1990er Jahren die Pläne für eine Windkraftanlage auf, am 16. März 2000 wurde sie in Betrieb genommen. Ausflügler bangten um ihr Naherholungsgebiet, Anhänger des Modellsegelflugs um ihr Hobby. Andere fürchteten Lärm und den Anblick. Und ist der Untergrund des Auffüllbergs aus Erd- und Bauschutt überhaupt stabil genug? Wolf Ohl, der sich noch gut an die Diskussionen erinnert, gehörte von Anfang an zu den Befürwortern der Windkraftanlage. In Bezug auf den Klimawandel habe er erneuerbare Energien schon damals für wichtig gehalten, sagt der Vorsitzende der Ortsgruppe Korntal-Münchingen der Umweltschutzorganisation BUND. „Für mich ist Windkraft die effektivste erneuerbare Energie.“

Die Aussicht kann sich sehen lassen: Der Grüne Heiner ist ein beliebtes Ausflugsziel. Foto: Simon Granville

Davon ließ sich der damalige Bürgermeister von Korntal-Münchingen, Peter Stritzelberger, nicht so recht überzeugen. Er konnte sich mit dem Windrad nie wirklich anfreunden. Anno 2007 sagte er im Abschiedsinterview mit unserer Zeitung, es stehe „wie ein Spargel auf dem spitzen Berg“. Der Gemeinderat segnete das Projekt mit knapper Mehrheit von einer Stimme ab.

Korntaler haben den Grünen Heiner „gut im Blick“

Beliebtes Ausflugsziel und Naherholungsgebiet mit Grillstelle und herrlichem Ausblick, Paradies für Drachen- und Modellflieger, Ort der Energiegewinnung: Der Grüne Heiner zieht viele Menschen an, weit über das Strohgäu und Stuttgart hinaus. Zu Fuß, auf dem Fahrrad. Autos sind verboten.

Das Windrad ist ein Wahrzeichen geworden, der Hügel gilt als Hausberg von Korntal. Beide seien nicht mehr wegzudenken, sagt Korntal-Münchingens Archivar Andreas Walter. Er betont, ein Hausberg müsse nicht zwangsläufig auf der Gemarkung des Dorfs oder der Stadt liegen, dessen Einwohner ihn für sich beanspruchen. „Die Bewohner von Korntal haben den Grünen Heiner von vielen Stellen in der Stadt gut im Blick, während die Weilimdorfer ihn von ihren Häusern größtenteils gar nicht sehen können.“

Erst künstlich aufgeschüttet, dann bepflanzt

Der Grüne Heiner – in den 1950er Jahren künstlich aufgeschüttet und später rekultiviert – ist laut Andreas Walter für Korntal-Münchingen nicht nur ein Naherholungsgebiet. Vielleicht sei er auch eine „beispielhafte Aussicht“ auf die Energiewende: „Wie an einer Stelle ganz gezielt und dezent erneuerbare Energie gewonnen werden kann, ohne einen Windpark zu errichten, wie andernorts, und ohne hunderte Meter lange Überbauung von Äckern und Wiesen mit Solarpaneelen.“ Bedenke man, so der Stadtarchivar weiter, dass er ein Auffüllberg war, mache der Grüne Heiner heute seinem Namen alle Ehre. „Vielleicht sind aber Berg und Windrad für manche auch zu einer symbolischen Landmarke geworden; wenn man beide nach einer Reise von Süden her auf der A 81 entdeckt und weiß, jetzt ist man daheim.“

Dieses Bild der ehemaligen Mülldeponie Grüner Heiner ohne Windrad datiert das Korntal-Münchinger Stadtarchiv zwischen 1975 und 1981. Foto: Stadtarchiv Korntal-Münchingen

Jäh zerstört wurde die Idylle zum Jahreswechsel 2012/2013: Ein Mann war von einem außer Kontrolle geratenen Modellsegelflieger am Kopf getroffen worden und seinen Verletzungen erlegen. Sein Tod erschütterte. Nach einem Beinaheunfall mit einer Schülergruppe im März 2016 war ein Flugverbot am Grünen Heiner ausgesprochen worden. Seit Mai 2019 ist der Berg mit strengen Regeln wieder für Modellsegler freigegeben.

Bleibt das Wahrzeichen ein Wahrzeichen?

Weil auf dem Grünen Heiner ordentlich Wind weht und für mehr Windkraft in Baden-Württemberg, gab es im Jahr 2011 Überlegungen, zwei weitere Windräder zu errichten. Unter anderem mangels Platzes wurden die Pläne verworfen. Dafür soll bis zum Jahr 2027 eine größere, leistungsfähigere Anlage das jetzige Windrad ersetzen. 180 Meter hoch soll der Nachfolger werden, sieben Mal mehr Leistung bringen und 3000 statt rund 200 Haushalte mit Strom versorgen.

Für mehr Windenergie ist Korntal-Münchingen generell offen. Gleichwohl müsse man die Verträglichkeit im Auge behalten, sagt der Bürgermeister Alexander Noak (parteilos). „Eine Verspargelung unserer schönen Landschaft oder die Umzingelung von Siedlungsflächen und das Verbauen aller Sichtachsen muss verhindert werden.“ Die Pläne für den Grünen Heiner befürworte er grundsätzlich, so Noak. Der Gemeinderat hat den Standort in seiner Sitzung bestätigt. Trotzdem, Zweifel sind da. „Ich mache mir gewisse Sorgen darüber, dass mit der neuen, deutlich höheren Windkraftanlage die Proportionen zwischen Heiner und Windrad nicht mehr harmonieren, und der Grüne Heiner seine Wahrzeichenfunktion verlieren könnte“, meint Alexander Noak.

Radtour auf den Grünen Heiner

Wolf Ohl aus Korntal begrüßt ein größeres Windrad, „wenn Fundament und Stabilität es hergeben“. Er radelt nach wie vor gern auf den Grünen Heiner, zumal der BUND sich dort um Flora und Fauna samt Lebensraum kümmert, wie die Biotope. Seine Liebe zum Hügel ist geblieben, wenngleich Wolf Ohl nun einen Ahorn sieht, wenn er aus dem Fenster schaut. Stört ihn aber nicht.

In den 1950er Jahren wurde der Grüne Heiner aufgeschüttet, später wurde er rekultiviert. Foto: Simon Granville

Höher, größer, schneller – in unserer Serie „Rekordverdächtig“ stellen wir Orte in der Region Stuttgart vor, die auf besondere Weise herausragend sind.

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