Ein Infopaket des Landesmedienzentrums hilft Eltern und Pädagogen, mit Kindern und Jugendlichen über Pornografie zu reden.

Stuttgart - Früher war die Sache einfach: Pornofilme gab es nur im Pornokino oder im Sexshop, und wer noch nicht 18 Jahre alt war, musste draußen bleiben. Wer heutzutage konsequent verhindern will, dass sich Minderjährige pornografische Filme ansehen, muss ihnen den Computer wegnehmen. Die Angaben schwanken zwar, aber mindestens sechzig Prozent der Jugendlichen ab 13 Jahren haben schon Erfahrung mit Internetpornografie gemacht. Jungs nutzen die einschlägigen Adressen deutlich häufiger als Mädchen, allerdings meistens im Kreis Gleichaltriger.

 

Es wäre sicher übertrieben, von einer "Generation Porno" zu sprechen, weil laut einer Studie der Jugendzeitschrift "Bravo" nur 8 Prozent der männlichen Heranwachsenden regelmäßig Pornos konsumieren. Aber andererseits sind das auch wieder zu viele, um die Problematik völlig zu bagatellisieren. Dass Jugendliche die Gelegenheit nutzen, mit Hilfe des Internets anonym und umsonst pornografische Filme anzuschauen, sei insgesamt jedoch ganz normal, meint Stefanie Rack: "Die Auseinandersetzung mit Sexualität ist natürlicher Teil der Entwicklung. Und oft stecken auch bloß Neugier oder Gruppendruck dahinter." Die Grund- und Hauptschullehrerin ist mittlerweile Medienpädagogin und arbeitet in Ludwigshafen für "Klicksafe", den deutschen Partner der EU-Initiative "Safer Internet Program".

Bilder, die nichts mit der Realität zu tun haben

In Zusammenarbeit mit dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg und Pro Familia Bayern hat Klicksafe den Medienbaukasten "Let's talk about porno" erarbeitet. Auch Stefanie Rack gehört zum Autorenteam und warnt vor den möglichen Folgen des Pornokonsums: "Die sexuelle Verunsicherung hat in den letzten Jahren eindeutig zugenommen. Manche Jugendliche nehmen die Pornografie für bare Münze und bekommen falsche Vorstellungen. Sie haben Bilder im Kopf, die mit der Realität nicht in Einklang zu bringen sind." Umso wichtiger sei es, sich mit ihnen über den Umgang mit Pornografie auseinanderzusetzen. "Gespräche sind auf jeden Fall sinnvoller als Verbote", sagt Rack; sie weiß aber auch, dass Eltern damit oft überfordert sind, weil das Thema nun mal sehr intime Bereiche betrifft.

Bleiben also die Pädagogen, sprich: in erster Linie die Lehrerinnen und Lehrer. Doch in der Pädagogik trifft das Phänomen genau in eine Zwischenzone: Sexualpädagogen haben noch meist zu wenig Kenntnisse von Medienpädagogik - und umgekehrt.

Rollenklischees, Gefühle und Selbstdarstellung

Deshalb hilft "Let's talk about porno" beiden. Der Ansatz des Arbeitsmaterials ist aufklärerisch, undogmatisch und wenig didaktisch; außerdem kommt es ohne moralische Vorbehalte aus. Der Begleittext lässt dennoch keinen Zweifel daran, dass man das Thema mit Jugendlichen behandeln muss, damit das Weltbild, das bei ihnen "hinsichtlich Sexualität und Geschlechterbeziehung entsteht, nicht von der Pornoindustrie geprägt wird." Das Material besteht aus vier "Bausteinen", einzelnen Kapiteln also, die diverse Aufgaben enthalten. Dabei geht es zum Beispiel um die Sexualisierung von Sprache oder um Rollenklischees in Rap-Songs, um die Gefühle in der Pubertät, Schönheitsideale und Castingshows - aber auch ganz konkret um Pornografie. In anderen Aufgaben lernen heranwachsende Mädchen, sich nicht allzu freizügig im Internet zu präsentieren. Bei jedem einzelnen Schritt wurde darauf geachtet, dass die Jugendlichen immer mit einbezogen werden können, aber dabei keine intimen Details preisgeben müssen. Internethinweise und Adressen geben Hinweise auf weiter führende Informationen.

Nicht nur aus juristischen Gründen ist der Gegenstand des Baukastens pikant, schließlich sind pornografische Darbietungen nicht jugendfrei. Zwölfjährigen wiederum ist Sexualität tendenziell meist peinlich; konfrontiert werden sie trotzdem damit. Wie klug das Material konzipiert ist, zeigen schon allein die ausführlichen Vorbemerkungen, in denen die Autoren den Pädagogen raten, sich mit Hilfe einer Selbsterkundung erst mal über die eigene Einstellung zum Thema klar zu werden. Ganz zu schweigen von der unvermeidbaren Recherche: Wer über Pornografie im Internet sprechen will, kommt nicht umhin, die entsprechenden Websites aufzusuchen. Außerdem gibt es ebenso plausible wie praktische Tipps für die Arbeit etwa im Unterricht.

Die Resonanz, freut sich Stefanie Rack, sei bislang "uneingeschränkt positiv": "Viele Pädagogen haben besonders lobend hervorgehoben, dass man einzelne Elemente herausgreifen kann." Die Tendenz ist jedenfalls eindeutig: nur das offene Gespräch über die Themen führt weiter.

Die Broschüre (134 Seiten; 3 Euro) gibt es unter www.klicksafe.de