Der Verdacht schien eigentlich längst abgehakt zu sein. Hat sich der Inspekteur der Polizei auch des Verbreitens pornografischer Inhalte schuldig gemacht? Das untersuchte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, nachdem sie Ende 2021 Ermittlungen wegen sexueller Nötigung gegen Andreas Renner eingeleitet hatte. Der Anlass dafür waren mehrere Nacktfotos des ranghöchsten Polizeibeamten, die ein anonymer Informant an Justiz und Polizei geschickt hatte. Derlei Bilder, behauptete er, habe Renner per Whatsapp an mindestens drei Polizistinnen übermittelt – gegen deren Willen und trotz mehrfacher Mahnungen, dies bleiben zu lassen.
Es las sich so, als sei damit gegen Paragraf 184 des Strafgesetzbuchs verstoßen worden: Bis zu einem Jahr Haft droht danach jemandem, der pornografische Inhalte „an einen anderen gelangen lässt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein“. Über seine Anwälte ließ der Inspekteur damals mitteilen, er habe die Bilder an eine Person geschickt, aber in enger Absprache und mit deren Einverständnis. Die Staatsanwaltschaft sah denn auch keinen hinreichenden Tatverdacht: Als sie Ende 2022 Anklage gegen Renner erhob, stellte sie das Verfahren dazu ein.
Ex-Partner von Polizistin als Zeuge?
Nun, noch während des laufenden Prozesses um sexuelle Nötigung, hat sie neue Ermittlungen wegen Pornografieverdachts gegen den Inspekteur eingeleitet. So bestätigt es ein Behördensprecher, ohne nähere Angaben dazu zu machen. Doch der Hintergrund ist offensichtlich: Im Verfahren vor dem Landgericht präsentierten die Anwälte der jungen Beamtin, die Renner bedrängt haben soll, Anfang Mai einen aufsehenerregenden Beweisantrag: Als Zeuge gehört werden solle der einstige Partner einer anderen Polizistin, der Nacktbilder von Renner auf deren Rechner entdeckt habe.
Ausführlich zitierte der Nebenklagevertreter aus einer Korrespondenz des mit vollem Namen genannten Mannes mit Renner: Dieser sei offensichtlich krank und solle sich dringend in Behandlung begeben. Der Inspekteur reagierte mit der eindringlichen Bitte, die Fotos zu löschen: Sie seien „höchstpersönlich“ und „nicht für Dritte bestimmt“. Seine Verteidigerin erklärte, für das Verfahren seien die Bilder nicht relevant, zumal der Mann sie sich durch eine Straftat beschafft habe und wenig glaubwürdig sei. Doch der Beweisantrag fand ein großes Medienecho. Tenor: Der Vorgang zeige, wie Renner schon früher seine Macht missbraucht habe.
Polizistin verweist auf Einvernehmen
Doch das angebliche Opfer, das nach den Angaben des Nebenklageanwalts – Vornamen und Anfangsbuchstabe des Nachnamens – unschwer zu identifizieren war, sieht das offenkundig nicht so. Die Polizeibeamtin soll Renner vor Jahren dienstlich kennen- und schätzen gelernt haben und mit ihm bis heute befreundet sein; zeitweise führten die beiden wohl auch eine intime Beziehung. Von ihr soll es inzwischen ein Schreiben an das Gericht geben, in dem sie die Vorwürfe zurechtrückt: Die höchst privaten Bilder habe der spätere Inspekteur ihr nach enger Absprache und mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung übermittelt; sie hätten nie öffentlich werden sollen. Ihr inzwischen ehemaliger Partner habe die Bilder unter dubiosen Umständen auf ihrem Rechner entdeckt und drohe seither mit deren Verwendung. Angesichts des Briefs reagierte Renners Verteidigerin mit Unverständnis auf die neuen Ermittlungen; es fehle jeder Anfangsverdacht.
Im April wandte sich der Ex-Partner, selbst kein Polizist, an die Staatsanwälte. Per Mail informierte er sie über die Nacktbilder und die Korrespondenz mit Renner. Es gehe ihm nicht um Revanche, sondern um ein gerechtes Urteil. Zugleich wehrte er sich gegen den Verdacht seiner Ex-Freundin, er sei es gewesen, der die Fotos anonym an die Ermittler gesandt habe. Zum Gegenbeweis soll er auf die – offenbar heimliche – Aufnahme eines Gesprächs mit ihr verwiesen haben.
Ermittlungen wegen heimlicher Aufnahme
Nun hat die Staatsanwaltschaft ein weiteres Ermittlungsverfahren eröffnet, wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Nähere Angaben dazu gibt es nicht, aus ermittlungstaktischen Gründen. Auch dieser Straftatbestand hat in der Affäre schon eine Rolle gespielt: Ermittelt wurde gegen die Beamtin, die Renner genötigt haben soll; sie hatte ein Telefonat mit ihm unbemerkt mitgeschnitten. Doch das Verfahren wurde eingestellt, weil sie sich in einem „rechtfertigenden Notstand“ befunden habe.