Der Porsche-Chef Oliver Blume steht vor einer großen Aufgabe: Der Wandel in der Branche erfordert bei kaum einem Autobauer so viel Veränderung wie bei Porsche.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Der Tag der Wahrheit erfordert Übung. Porsche-Chef Oliver Blume steht mit seinen Vorstandskollegen auf der Bühne in Ludwigsburg und probt seine Rede. Seine Stimme hallt, und die Scheinwerfer blenden, als er auf die Reihen leerer schwarzer Stühle vor ihm blickt. Am nächsten Tag werden hier 650 Porsche-Führungskräfte sitzen und sich anhören, was der Vorstand zu sagen hat. Einmal im Jahr ruft Blume die Chefs zur Managementkonferenz zusammen.

 

Vor seinen Führungskräften will Blume nicht um den heißen Brei herumreden. Darum ist die Veranstaltung prädestiniert, wenn man die Herausforderungen verstehen will, vor denen der Manager steht: Wie die ganze Autoindustrie befindet sich Porsche mitten in einem fundamentalen Wandel. Aber bei keinem anderen Hersteller bedarf sie so viel Veränderung in so kurzer Zeit.

Digitalisierung und Elektrifizierung heißen die großen Entwicklungen in der Autoindustrie. Porsche aber wurde noch bis 2015 von Matthias Müller geführt, der sagte: „Das autonome Fahren stellt für mich einen Hype dar, der durch nichts zu rechtfertigen ist.“ Auch die E-Mobilität spielte kaum eine Rolle. Worin der Reiz eines surrenden E-Porsches ohne Motorensound liegen soll, konnten sich damals nur wenige ausmalen. Im Oktober 2015 dann übernahm Blume die Leitung. Ihm ist klar, dass er den Sportwagenbauer an einen neuen Zeitgeist anpassen muss. Dabei geht es längst nicht nur um die Produkte.

Blume sieht sich als Mannschaftskapitän

Blume hat die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt. Ein paar Schweißperlen glänzen auf der gebräunten Stirn. „Schmeiß mal den Film rein“, sagt er einem Mitarbeiter, der den Chefs am nächsten Tag einen Einblick in die Produktionstrends geben soll. „Ist cool geworden“, sagt er dann. Blume gehört nicht zur alten Generation der autoritären Autobosse. Er sieht sich als Mannschaftskapitän.

„Oft lässt er anderen den Vortritt, um Erfolge zu verkünden“, sagt ein Mitarbeiter. „Er weiß, dass er in der ersten Reihe steht, darum muss er sich das nicht jeden Tag beweisen.“ Seine Mitmenschen duzt Blume am liebsten. An diesem Tag kommt er direkt von Strategiebesprechungen bei VW in Wolfsburg. Der Terminkalender ist fürs ganze Jahr bis zur letzten Minute durchgetaktet. Spüren lässt er das nur diejenigen, die im Gespräch zu weit ausholen. Dann fängt er an, schnell zu nicken und von einem Bein auf das andere zu treten. Er hat keine Zeit zu verlieren.

Blume will für Porsche ein neues Narrativ entwickeln. Er will, dass Porsche für ein ehrliches Unternehmen steht, das gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und die Ressourcen schont. Darum hat Porsche im Frühjahr eine gemeinnützige Stiftung gegründet und will den Taycan, den ersten E-Sportwagen in der Unternehmensgeschichte, komplett CO2-neutral produzieren. Am nächsten Tag wird Blume auf der Managementkonferenz sagen, dass der Anteil an elektrischen Fahrzeugen bei Porsche bis 2025 bei 50 Prozent liegen soll.

Porsche verdient an einem E-Auto weniger als an einem Verbrenner

Darunter fallen zwar auch die Hybridfahrzeuge, aber nur wenige Hersteller haben bei der E-Mobilität in so kurzer Zeit so viel vor. Blume wird den Führungskräften aber auch sagen, was die Kehrseite davon ist: Der Wandel zur E-Mobilität wird den Autoherstellern Löcher in die Bilanzen reißen. Einerseits erfordert sie massive Investitionen – allein bei Porsche sind es sechs Milliarden Euro. Andererseits bringen die E-Autos den Herstellern weniger als Verbrenner. Inoffiziell heißt es, dass Porsche an einem E-Auto um die 10 000 Euro weniger verdient.

Momentan verbucht Porsche eine Umsatzrendite von 17,5 Prozent. Das ist zwar weit mehr als die Renditen anderer deutscher Hersteller. Es ist aber auch die Hausnummer, die VW von Porsche erwartet. Damit die Rendite nach 2022 nicht unter 15 Prozent sinkt, muss Porsche reagieren.

„Wir planen die Umsetzung eines Programms, das in den kommenden drei Jahren mehrere Milliarden Euro zum Ergebnis beiträgt“, sagt Blume. Auf der einen Seite sollen durch die Optimierung von Prozessen Sparpotenziale gehoben werden. Andererseits will er zusätzliche Erträge durch neue digitale Geschäftsmodelle heben. Insgesamt soll das Programm rund sechs Milliarden Euro bringen – ohne dass Personal angetastet wird.

Blume schafft es, die Belegschaft mitzunehmen

Im Gegenteil: Porsche startet nach der Sommerpause die teuerste Qualifizierungsoffensive in der Geschichte des Unternehmens. Der Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück lehnt sich zufrieden in seinem Büro in Zuffenhausen zurück, als er davon erzählt. „Ein Hauptgrund für den Erfolg von Oliver Blume ist, dass er die Belegschaft begeistern und mitnehmen kann“, sagt Hück. Bei Porsche kommen die Manager ohne die Unterstützung von Hück nicht weit. Hück und Blume haben ihre Zuständigkeiten klar abgesteckt und respektieren sich. „Er kann natürlich nicht so schreien wie ich, aber das ist auch nicht seine Art“, sagt Hück. „Wenn er sich durchsetzen will, bleibt er einfach bei seinen Argumenten und geht nicht von der Bremse runter.“

Er warnt davor, Blumes Zugänglichkeit mit Durchsetzungsschwäche zu verwechseln. „Er ist vielleicht leiser, aber durchsetzungsstärker als andere Manager“, sagt der Thai-Boxer. „Das merkt man daran, wie geschickt er agiert. Darum müssen wir darauf aufpassen, dass er im Konzern nicht verschlissen wird.“ Es heißt, dass Blume als Nachfolger von Rupert Stadler an der Spitze von Audi vorgesehen war.

Blume hat aber auch bei Porsche viel zu tun. „Er muss den Anlauf des Taycan und seiner Derivate meistern. Das Gleiche gilt für den nächsten 911er“, so Hück. Dazu kommt die neue Fabrik 4.0. „Er hat hier bei Porsche in den nächsten mindestens drei Jahren viele Aufgaben – wenn er die gemeistert hat, stehen ihm meiner Meinung nach viele Türen offen.“ Längst sagen einige im Konzern, dass zu den Türen auch die des Chefbüros in Wolfsburg gehört.