Würden Autobauer die US-Strafzölle an die Kunden weitergeben, stiegen die Preise um 20 Prozent. Porsche-Finanzchef Lutz Meschke denkt daher über andere Lösungen nach.

Stuttgart - Der amerikanische Präsident Donald Trump droht der europäischen Autoindustrie mit Einfuhrzöllen von mindestens 20 Prozent. Solche Handelsrestriktionen gelten mittlerweile wieder als probates Mittel der Wirtschaftspolitik; der freie Welthandel ist kein anerkanntes Ziel mehr. Der Autobauer Porsche, der seine Fahrzeuge aus Deutschland in die ganze Welt exportiert, ist aber auf freie Märkte angewiesen. Wie die Stuttgarter mit den Herausforderungen umgehen, erläutert der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Lutz Meschke im Interview.

 
Herr Meschke, die Welthandelsorganisation WTO befürchtet, dass der Welthandel um 60 Prozent einbrechen könnte, wenn Handelserleichterungen der letzten Jahrzehnte wieder rückgängig gemacht würden. Teilen Sie diese Befürchtungen?
Es ist bedrohlich, was sich da gerade zusammenbraut. In der jüngeren Vergangenheit haben wir keine größeren Konjunktureinbrüche mehr erlebt, der Wohlstand ist gewachsen und die Beschäftigung ist angestiegen. Und das hat aus meiner Sicht sehr viel mit dem freien Welthandel zu tun. Wenn sich jetzt alle wieder abschotten, nur nach dem eigenen Vorteil suchen und Rosinenpickerei betreiben, dann kommt der freie Welthandel in der Tat nach und nach zum Erliegen.
US-Präsident Trump droht der europäischen Autoindustrie mit Einfuhrzöllen. Ist er der Totengräber des freien Welthandels?
Mir ist der alleinige Bezug auf den US-Präsidenten etwas zu banal. Es gibt auch andere Faktoren. Fangen Sie mit der EU an: Im Zusammenhang mit dem leider nicht zu verhindernden Brexit droht ein ungeregelter Austritt. Der freie Warenfluss muss aber unbedingt aufrechterhalten bleiben. Beim Thema Autozölle liegt der US-Präsident im Übrigen ja nicht völlig daneben, denn die Amerikaner zahlen zehn Prozent Importzölle bei uns, wir hingegen zahlen in den USA nur 2,5 Prozent.
Trotzdem wird die Autoindustrie die Importzölle nicht einfach zulassen wollen.
Natürlich nicht. Wir, die EU, exportieren Autos im Wert von 50 Milliarden Euro in die USA, die Ausfuhren der Amerikaner hierher sind viel geringer. Die angedachten 20 Prozent Einfuhrzoll auf 50 Milliarden Euro sind zehn Milliarden Euro. Und dabei ist überhaupt nicht klar, ob das in den Preisen auch nur annähernd weitergegeben werden kann. Immerhin gibt es in den USA auch starke lokale Anbieter. Da drohen jährliche Milliardenverluste für die deutsche Autoindustrie.
Wie muss eine adäquate Antwort der deutschen beziehungsweise der europäischen Politik aussehen?
Wir müssen jetzt zu Gesprächen zwischen der EU und den USA kommen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Politik hat schließlich eine Verantwortung für die Wirtschaft. Deutschland und Frankreich müssen die Initiative ergreifen, das Heft in die Hand nehmen und die EU-Kommission dazu bringen, dass verhandelt wird. Wir haben als Europäer doch kein Problem damit, wenn die Zölle für die Amerikaner jetzt auch auf 2,5 Prozent runtergehen. Das wäre eine Geste, die sagt, dass wir verstanden haben, worum es geht. Geklärt werden müsste, ob das im Einklang mit den WTO-Regeln stehen würde, wenn wir zum Beispiel von asiatischen Anbietern weiter zehn Prozent verlangen würden. Wenn nicht, wäre ich dafür, auch diese Zölle abzusenken.
Was bedeuten die drohen Einfuhrzölle für Porsche? Die USA sind immerhin nach China ihr zweitwichtigster Markt.
Da wir dort keine Produktion haben, wären wir mit all unseren 60 000 Fahrzeugen betroffen, die wir in den Vereinigten Staaten verkaufen. Dieser Absatz verteilt sich im Übrigen auf sechs Baureihen, weshalb eine eigene Produktion völlig unrentabel wäre. Die größte Baureihe, der Macan, hat gerade mal gut 20 000 Fahrzeuge.
Sie könnten doch die Fabrik von Audi in Mexiko mitnutzen. Mexiko gehört zur Nafta, sodass die Autos zollfrei in die USA eingeführt werden können, sofern der amerikanische Wertschöpfungsanteil gut 60 Prozent beträgt.
Das Label „Made in Germany“ ist für viele Amerikaner ja ein wichtiger Kaufgrund. Außerdem: Eine Lokalisierung aller Bauteile geht nicht so schnell. Es stellt sich auch die Frage, was mit importierten Teilen passiert. Wenn Zoll auf die eingeführten Teile bezahlt werden muss, dann haben wir das nächste Problem. Eine Produktion mit 20 000 Einheiten ist schon bei optimalen Bedingungen sehr grenzwertig und in der gegenwärtig unsicheren Lage keine Option. Aber wenn die Zölle zum Beispiel bei 50 Prozent lägen, müsste man sicher anders darüber nachdenken.
Was wollen Sie tun, die Preise erhöhen?
Einfuhrzölle von 20 Prozent würden durchgerechnet auf den Verkaufspreis für die Verbraucher eine Preiserhöhung von 13 oder 14 Prozent bedeuten. Wenn wir das machen würden, dann würde das selbst bei Porsche die Wettbewerbsfähigkeit mancher Modelle gefährden. Deshalb würden wir andere Wege suchen. So wollen wir jedes Jahr in der Produktion sechs Prozent Produktivitätssteigerung erreichen. Ähnliche Vereinbarungen haben wir mit unseren Lieferanten. Das verschafft uns einen gewissen Spielraum.
Wie hoch wären die geschätzten Absatzeinbußen bei einer kompletten Weitergabe der Einfuhrzölle?
Das ist natürlich eine sehr theoretische und hypothetische Frage, aber die Absatzeinbußen wären beträchtlich, und das werden wir nicht in Kauf nehmen.
Wie preissensibel sind die US-Kunden? Das müsste sich ablesen lassen an Preisänderungen in der Vergangenheit, die aufgrund von Wechselkursänderungen vorgenommen wurden.
Unsere Wachstumsgeschichte in den USA ist einzigartig und wir haben dort eine äußert treue Fangemeinde. Auf diese setzen wir auch in Zukunft. Und übrigens: Wir müssen die Preise nicht aufgrund von veränderten Wechselkursen anpassen. Wir machen eine langfristige, flexible Währungssicherung. Wir sichern für drei bis fünf Jahre ab über Termingeschäfte sowie über Optionsgeschäfte, sodass wir auch positive Währungsveränderungen mitnehmen können. Wir gehen in 10-er Schritten nach unten, also sichern wir im ersten Jahr 100 Prozent ab, dann 90 Prozent, 80 Prozent und so weiter. Die Kosten der Währungssicherung sind in unseren Preisen einkalkuliert.
Kann Porsche mögliche Einbußen in den USA durch Wachstum auf anderen Märkten kompensieren?
In China gehen unsere Zölle jetzt von 25 Prozent auf 15 Prozent zurück. Das werden wir natürlich an die Endverbraucher in Form von Preissenkungen um im Schnitt gut sechs Prozent weitergeben. Das bringt uns einen leichten Wettbewerbsvorteil, denn Konkurrenten wie BMW und Mercedes müssen jetzt auf ihre Luxus-Geländewagen aus amerikanischer Fertigung 40 Prozent Zoll zahlen. Auch wenn wir daraus jetzt einen Vorteil ziehen, sage ich ganz deutlich, dass ich den Weg für falsch halte. In China laufen die Geschäfte aber auch ohne den beschriebenen Effekt gut, ebenso in den Vereinigten Staaten. Wir sind deshalb zuversichtlich, im Gesamtjahr das hohe Absatzniveau des Vorjahres wieder erreichen zu können.
Wenn es soweit kommt, dann wird Präsident Trump die Zölle mit der „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ begründen. Ist es nicht ein Affront, ausgerechnet in den USA, wo Porsche eine lange Tradition hat und als Ikone gilt, so bezeichnet zu werden?
Die USA, speziell Kalifornien, sind die zweite Heimat von Porsche. Ich denke es ist klar, dass wir keine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellen.