Mit dem neuen campuseigenen 5G-Netzwerk des Entwicklungszentrums in Weissach schafft sich Porsche einen Mikrokosmos der Innovation – während man in anderen Teilen des Ländles noch mit schlechtem Empfang zu kämpfen hat.

Weissach - Eigentlich sind in der Ecke der Werkhalle auf dem Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach nur Betonboden und eine große Fotowand zu sehen. Blickt man jedoch durch die Kamera-App eines Smartphones auf die selbe Stelle, steht in der Werkhalle: ein Rennauto. Modelliert wird der Wagen mit „Augmented Reality“ (Erweiterter Realität). Je näher sich das Mobiltelefon auf den simulierten Wagen zubewegt, desto mehr werden auf dem Bildschirm die Einzelteile sichtbar. Während vor der Kameralinse Staubpartikel durch die Luft schweben, eröffnet sich auf dem Handybildschirm eine Welt voller mechanischer Details.

 

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Möglich ist diese Form der Modellierung dank des campuseigenen 5G-Mobilfunknetzes, das Porsche in Kooperation mit Vodafone aktiviert hat. Hierfür hat Vodafone auf dem Gelände des Weissacher Forschungszentrums zwei 5G-Basisstationen und mehrere Antennen errichtet.

Mit dem ultraschnellen Netz in 3,5-Gigahertz-Frequenz erträumt sich Porsche eine ganze Reihe von zukunftsträchtigen Möglichkeiten in Forschung, Entwicklung und Produktion. Michael Steiner, Entwicklungsvorstand beim Automobilhersteller, spricht von einem „Vorsprung, den man jetzt nutzen müsse“, man könne nun innovativer, schneller, sicherer werden. „Wir wollen mit Porsche Dinge besser machen und die Welt verbessern“, sagt auch Vodafone-Geschäftsführer Hannes Ametsreiter.

5G spart Porsche Weg und Zeit

Zu den Möglichkeiten, die das 5G-Netz bringt, zählt nicht nur die digitale Modellierung und Testung der Fahrzeuge. Weil Daten im Entwicklungszentrum nun mit einer Verzögerung – der Latenz – von unter zehn Millisekunden übertragen werden, können etwa Daten von der Teststrecke in Echtzeit ausgewertet werden. Bisher wurden diese zunächst in großen, in Kofferräumen verbauten Rechnern gespeichert, mit 5G können nun, so erklärt es Porsche, lange Wege und Entwicklungszeiten für neue Fahrzeuge gespart werden.

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Die Autos, die aktuell in Weissach entwickelt werden und damit spätestens in drei bis vier Jahren auf den Markt kommen, sollen ebenfalls 5G-fähig sein. Dann können im Porsche HD-Filme gestreamt und Videospiele gespielt werden – das Auto als Erweiterung des Wohnzimmers, nennt Vodafone das. Auch in Sachen Sicherheit könnte die 5G-Technik einiges verändern: 5G-vernetzte Fahrzeuge sollen in Zukunft Verkehrsdaten in Echtzeit analysieren und sich so gegenseitig vor eventuellen Gefahren im Straßenverkehr warnen.

Töpfer begrüßt 5G-Netz von Porsche

Nur: Träumen und Ausprobieren lässt sich im abgesteckten Versuchslabor in Weissach viel. Damit Systeme wie das geplante Frühwarnsystem oder HD-Streaming auch außerhalb des Entwicklungszentrums zum Tragen kommen, braucht es ein entsprechendes flächendeckendes 5G-Netz. Das sei natürlich auch bei Vodafone ein großes Thema, sagt Geschäftsführer Hannes Ametsreiter bei der Einführung des 5G-Netzes in Weissach. „Hätten wir die 6,6 Milliarden Euro für die Ersteigerung der 5G-Lizenz in den Netzausbau gesteckt, hätten wir jetzt keine Funklöcher mehr“, kritisiert er.

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Wirft man einen Blick auf die Netzkarte des Mobilfunkanbieters, fallen auch in der Gegend um Weissach einige – wenn auch kleine – weiße Löcher auf, in denen nur 2G empfangen werden kann, etwa zwischen Heimsheim und Malmsheim. „Die Netze in Deutschland sind gut, aber noch lange nicht gut genug“, heißt es von Vodafone auf Nachfrage unserer Zeitung. „Gerade auf dem Land bauen wir mehr als jemals zuvor, um nervige Funklöcher zu stopfen und schnelles Surfen überall möglich zu machen.“

Keine Mobilfunkgeneration sei aber schneller gewachsen als 5G. Den Ausbau erleichtern, ergänzt Ametsreiter, würde zum Beispiel eine Generalgenehmigung für den Bau von Mobilfunkstandorten. Das dauere, so bedauert es der Vodafone-Chef, in Deutschland noch bis zu zwei Jahre pro Standort. „Die Hoheit über Baugenehmigung haben Gemeinden“, erklärt er. Diese müsse man mitnehmen, „auch die Leute vor Ort wollen gefragt werden“.

5G an der Grenze zum Gelände

Wegen der Einführung des 5G-Netzes im Entwicklungszentrum wurde am Weissacher Rathaus übrigens nicht angeklopft. Das stört den Weissacher Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU) aber nicht. Schließlich handle es sich um ein betriebsinternes Netz. Vielmehr begrüße er die Errichtung des 5G-Netzes am Entwicklungsstandort Weissach ausdrücklich. „Wir sind froh, dass die Standortsicherheit in Weissach dank modernster Infrastruktur somit weiterhin gewährleistet ist“, betont der Rathauschef.

Ganz abgeschnitten vom Porsche-5G-Netz sind die Weissacher auch nicht: „An einigen Teilen entlang des Entwicklungszentrums ist das 5G-Netz sogar auch über die Grenzen des Geländes hinaus empfangbar“, erzählt ein Sprecher Vodafones. „Dort können auch Besucher oder Anwohner mit den entsprechenden Smartphones das schnellste Mobilfunknetz Europas nutzen.“

Mobilfunknetz: Schneller mit jeder Generation

Generationen
Die Abkürzung „5G“ bezeichnet die fünfte Generation des Mobilfunks und ist der Nachfolger von 4G, dem LTE-Netz. Im Gegensatz zum LTE-Netz verspricht 5G eine etwa zehnfach höhere Datenübertragung und eine geringere Verzögerungszeit, die sogenannte Latenz.

Empfang
Seit 2019 ist das 5G-Netz bereits verfügbar und laut Telekom inzwischen für 85 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nutzbar. Flächendeckend ist noch LTE der gängigste Standard: Laut Bundesnetzagentur werden rund 96,5 Prozent von Deutschland aktuell von mindestens einem Anbieter mit LTE versorgt. Besonders in ländlichen Gegenden gibt es aber nach wie vor reichlich Funklöcher: In 3,8 Prozent des Landes empfängt man höchstens 2G, in weiteren 7,2 Prozent gibt es nur mit einem Anbieter Empfang.

Porsche
 Schneller und besser will Porsche mit dem neuen, campuseigenen 5G-Netz in Weissach werden. Dafür kommt hier die sogenannte Standalone-Technik (deutsch: „Alleinstehend“) zum Einsatz. 5G funktioniert grundsätzlich auch auf Basis der bereits bestehenden LTE-Struktur, braucht dann aber eine LTE-Trägerfrequenz. 5G-Standalone nutzt ein eigenes Kernnetz – und ist damit schneller.