Die Staatsanwaltschaft will die Rolle des Porsche-Aufsichtsrats im Prozess gegen die früheren Top-Manager Wiedeking und Härter nicht beleuchten.

Stuttgart - Der zweite Verhandlungstag im Porsche-Prozess begann gleich mit einer Überraschung. Eigentlich war der Donnerstag dafür reserviert, dass ein Beamter des Landeskriminalamts noch einmal einen ausführlichen Rückblick auf die im August 2009 aufgenommenen Ermittlungen gegen den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den ehemaligen Finanzvorstand Holger Härter gibt. Doch dieser Chefermittler musste eine halbe Stunde auf seine Befragung warten, denn die beiden Staatsanwälte wollten zunächst einmal eine Erklärung abgeben.

 

Die Staatsanwälte Aniello Ambrosio und Heiko Wagenpfeil konterten zentrale Aussagen, die Wiedeking und Härter beim Prozessauftakt in der vorigen Woche gemacht hatten. Beiden Ex-Managern wird vorgeworfen, dass sie die Öffentlichkeit 2008 im Übernahmekampf mit VW monatelang belogen haben. Die Angeklagten weisen dies entschieden zurück.

Wiedeking hatte zum Prozessauftakt ausführlich seinen Zwist mit dem ehemaligen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch geschildert. Der Porsche-Miteigner sei undurchschaubar gewesen und habe lange torpediert, dass die Stuttgarter mehr Einfluss beim Wolfsburger Autoriesen erhalten. Der Familienclan der Porsches und Piëchs sei sich also bis in den Herbst 2008 hinein mitnichten einig gewesen. Erst im Oktober 2008 hat Piëch laut Wiedeking auf Druck der anderen Familienmitglieder und der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat seinen Widerstand aufgegeben. Nach dieser Wende hatte die Porsche Holding dann am 26. Oktober 2008 mitgeteilt, dass das Stuttgarter Unternehmen die Beteiligung auf 75 Prozent aufstocken wolle und die Beherrschung der Wolfsburger anstrebe.

Warum Piëch nicht befragt wurde

Mit der Schilderung des Verhaltens von Piëch wollte Wiedeking dem Eindruck entgegentreten, Aufsichtsrat und Vorstand hätten sich schon lange vor der Pressemitteilung zur geplanten Beherrschung von VW im Oktober auf einen Geheimplan zur Eroberung von VW geeinigt. Öffentlich hatten Wiedeking und Härter dies immer wieder dementiert, weshalb sie nun vor Gericht stehen.

Staatsanwalt Ambrosio erwiderte nun, dass Wiedeking und Härter auch ohne Piëch eine Aufstockung der Beteiligung auf 75 Prozent beschließen konnten, weil es ausgereicht habe, eine Mehrheit der Aufsichtsräte für diesen Plan zu gewinnen. Und Protokolle aus Aufsichtsratssitzungen zeigten, dass die anderen Familienmitglieder und die Arbeitnehmerseite keine Vorbehalte gegen die Pläne der beiden äußerten. Diese ungewöhnliche Interpretation der Staatsanwaltschaft, dass der sonst so mächtige Strippenzieher Piëch hier eher eine Nebenrolle gespielt habe, mag erklären, warum dieser bei den jahrelangen Ermittlungen nicht befragt wurde – im Gegensatz zum Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Porsche. Auch die anderen Kontrolleure wurden nach Angaben des Chefermittlers nicht befragt. Als die Verteidiger von Wiedeking und Härter nun nachbohrten und nach einer Begründung dafür suchten, verwies der Chefermittler darauf, dass die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung getroffen habe.

Der Verzicht auf eine Befragung Piëchs könnte auch damit zusammenhängen, dass die Staatsanwaltschaft das Verhalten der Kontrolleure in diesem Prozess ohnehin ausklammern will. Dies steht in einem Gegensatz zur Entscheidung des Stuttgarter Oberlandesgerichts, das den Prozess erst möglich gemacht hatte, denn im ersten Anlauf hatte es das Landgericht abgelehnt, eine Hauptverhandlung zu eröffnen, weil es zu geringe Erfolgschancen für eine Verurteilung sah. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Beschwerde ein.

Aktionäre getäuscht und geschädigt

Das Oberlandesgericht kippte dann die Entscheidung des Landgerichts, weil es eine Vielzahl von Indizien dafür sah, dass sich Aufsichtsrat und Vorstand schon vor der Bekanntgabe im Oktober über eine geplante Beherrschung von VW einig waren, dies aber verschleiert haben. Nach Auffassung von Staatsanwalt Ambrosio kommt es in diesem Prozess jedoch gar nicht auf das Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat, sondern allein auf das Verhalten der beiden Angeklagten an.

Wiedeking und Härter sollen spätestens im Februar 2008 fest beschlossen haben, die VW-Beteiligung auf 75 Prozent aufzustocken. Danach haben sie diese Absicht jedoch bis zur offiziellen Ankündigung im Oktober mindestens fünf Mal dementiert, womit sie VW-Aktionäre getäuscht und geschädigt haben sollen. Im Gesetzbuch heißt dies „informationsgestützte Marktmanipulation“.

Die Verteidiger von Wiedeking und Härter, allesamt Stars unter den deutschen Strafverteidigern, feierten dieses Abrücken der Staatsanwälte von der für diese doch eigentlich so hilfreichen Argumentationslinie des Stuttgarter Oberlandesgerichts bereits als halben Sieg. Damit sei die These von der Irreführung ja weitgehend begraben, das sei ein gehöriger Fortschritt, meinte Härters Verteidiger Sven Thomas, der schon jede Menge Prominente vertreten hat, wie etwa den früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer oder den Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.