Das Stuttgarter Landgericht hat den Ex-Porsche-Finanzvorstand Holger Härter wegen Kreditbetrugs verurteilt. Jetzt will er vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Stuttgart - Als Holger Härter am 5. September des vergangenen Jahres gemeinsam mit seiner Anwältin Anne Wehnert vor dem Stuttgarter Landgericht aus einem verbeulten silbernen Taxi stieg, ging er gleich auf Konfrontationskurs zur Staatsanwaltschaft. „Ich weise die Vorwürfe entschieden zurück. Sie sind nachweisbar unrichtig“, sprach der Mann mit dem Dreitagebart in die Mikrofone der Reporter und kündigte an: „Ich werde dies jetzt mit meiner gewohnten Gelassenheit in der Hauptverhandlung vortragen.“

 

Als der ehemalige Finanzvorstand der Porsche Automobil Holding am Dienstag nach dem Urteil den Saal 3 des Stuttgarter Landgerichts verlässt, wirkt er alles andere als gelassen. „Wir werden natürlich Revision einlegen“, sagt der 57-Jährige und zerpflückt die rund einstündige Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Roderich Martis. Viele Dinge seien nachweisbar falsch gewesen, Begriffe seien durcheinandergeworfen worden, schimpft der ehemalige Manager des Stuttgarter Unternehmens, der schon während der Urteilsbegründung immer wieder den Kopf geschüttelt hatte. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Revisionsverhandlung gewinnen werden“, zeigt sich Härter siegessicher für den bevorstehenden Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) nach Karlsruhe.

Immer wieder hat Härter und haben die Verteidiger in den 32 Verhandlungstagen seit dem vergangenen Herbst nachweisen wollen, dass die Staatsanwaltschaft eine bei der Durchsuchung der Frankfurter Niederlassung der Bank BNP Paribas gefundene E-Mail falsch verstanden habe. Gleich am ersten Verhandlungstag verwandelte Härter, der einst als Finanzgenie gefeiert und nach dem Scheitern der VW-Übernahme gefeuert wurde, den Gerichtssaal in einen Hörsaal. Er zeichnete mit breitem Filzstift Kurven auf ein Flipchart, versuchte, die komplizierte Welt der Optionsgeschäfte zu erläutern, mit deren Hilfe die kleine Porsche Holding vor vier Jahren die Weichen für die Übernahme der Macht beim Wolfsburger Autoriesen VW stellen wollte. Härter warf der Staatsanwaltschaft vor, Begriffe verwechselt zu haben.

Im Mittelpunkt standen dabei im Verlauf der vergangenen Monate englische Vokabeln wie „net purchase price“, die in der am 19. März 2009 verschickten E-Mail an BNP Paribas auftauchten. Die Frankfurter Mitarbeiter wollten damals vor der Kreditvergabe zusätzliche Informationen über die Aktienoptionen, die damals als großes Geheimnis galten. Während Härter das in de E-Mail verwendete Fachchinesisch als periodenbezogene Erfolgsrechnung bezeichnete, in die auch Gewinne aus vergangenen Optionsgeschäften einfließen, sah die Staatsanwaltschaft darin eine stichtagsbezogene Größe für den Liquiditätsbedarf bei Ausübung der Kaufoptionen auf VW-Aktien. Der Porsche-Finanzchef stand damals in den Kreditverhandlungen heftig unter Druck, denn er brauchte dringend frisches Geld, da ein Darlehen über zehn Milliarden Euro am 24. März 2009 auslief. Ohne einen neuen Kredit drohte Porsche die Pleite. Härter musste Klinken putzen. Ursprünglich sollten 12,5 Milliarden Euro eingesammelt werden, doch wenige Tage vor Ablauf des alten Kredits gab es erst Zusagen für acht Milliarden, wie ein Mitarbeiter der BNP Paribas berichtete. Härter verhandelte lange mit den Franzosen, wollte von ihnen ursprünglich eine Milliarde, bekam dann 500 Millionen Euro. Insgesamt kamen bei dem neuen Konsortialkredit zehn Milliarden Euro zusammen.

Mehrere Gutachten und die Befragung von Mitarbeitern der französischen Bank brachten in dem Prozess indes kein klares Bild über die Bedeutung der umstrittenen englischen Fachbegriffe. Die Wirtschaftsstrafkammer folgte nun der Auffassung der Staatsanwaltschaft. Es sei um „Cash aus der Täsch“ gegangen, wie es ein Mitarbeiter der französischen Bank auf den Punkt gebracht habe, sagte der Vorsitzende Richter Roderich Martis in seiner Urteilsbegründung. Der Liquiditätsbedarf für die Ausübung der VW-Optionen sei um etwa 1,4 Milliarden Euro zu niedrig angegeben worden.

Kein Erfolg hatte die Verteidigung Härters auch mit der Argumentation, die umstrittene E-Mail sei für die Entscheidung der Franzosen überhaupt nicht erheblich gewesen, weil das Kreditkomitee in der Pariser Zentrale zuvor bereits grünes Licht gegeben hatte. Die Kreditentscheidung sei im Zusammenspiel zwischen der Pariser Zentrale und der Frankfurter Niederlassung zustande gekommen, sagte der Vorsitzende Richter. Die Frankfurter Mitarbeiter hätten auch nach der Entscheidung in Paris die Kreditvergabe ablehnen können.