Es war atemberaubend, wie der Kurs der VW-Aktie 2008 binnen weniger Tage geradezu explodierte. Ging es in der damaligen Übernahmeschlacht mit Porsche nicht mit rechten Dingen zu? Diese Frage stellt sich in einem Stuttgarter Prozess.

Stuttgart - Im Porsche-Prozess gegen den früheren Firmenchef Wendelin Wiedeking und dessen Finanzvorstand Holger Härter hat ein Gutachten den Vorwurf der Marktmanipulation nicht erhärtet. In der Finanzkrise sei die Situation an den Börsen 2008 so chaotisch gewesen, dass Kursturbulenzen der VW-Aktie mit wissenschaftlichen Methoden nicht eindeutig einer Porsche-Pressemitteilung zuzuordnen seien, sagte der Wirtschaftsprofessor Hans-Peter Burghof am Freitag vor dem Stuttgarter Landgericht.

 

Die beiden Manager stehen wegen Manipulation des Kapitalmarktes vor Gericht. Sie sollen mit fehlerhaften und lückenhaften Mitteilungen auf den VW-Kurs eingewirkt haben, um die damals geplante Übernahme des Branchenriesen zu stemmen. Dies bestreiten sie.

Anleger machten Milliardenverluste

Burghof stellte vor dem Stuttgarter Landgericht den zweiten Teil eines Gutachtens vor, worin er die Wirkung einer Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 auf den VW-Kurs untersucht. In der Mitteilung, an einem Sonntag, hatte Porsche erstmals die Absicht erklärt, 75 Prozent der VW-Anteile übernehmen zu wollen. An den nächsten beiden Tagen schnellte der Kurs zwischenzeitlich um das Vielfache auf mehr als 1000 Euro in die Höhe. Anleger, die auf einen fallenden VW-Kurs gewettet hatten, machten Milliardenverluste.

Burghof bestätigte zwar einen Zusammenhang zwischen der Mitteilung und dem Kurssprung. Er gab aber zu bedenken, dass man damals wegen der Finanzkrise bereits in einer Situation des Marktversagens gewesen sei, in dem die Wirkung einer Firmeninformation mit bewährten wissenschaftlichen Methoden nicht mehr nachvollziehbar sei.

Im Herbst 2008 war Porsche in einer schwierigen Situation. Man hatte seinen Anteil an VW zuvor schrittweise erhöht und sich hierbei stark verschuldet. Porsche brauchte dringend neue Kredite - der zwischenzeitlich fallende VW-Kurs und somit der niedrigere Wert der Porsche-Beteiligung am Wolfsburger Riesen war hierfür schlecht. Daher wollte Porsche, so der Vorwurf der Anklage, den Markt manipulieren. Die Angeklagten bestreiten das vehement.

Großteil der Kaufoptionen konnte nicht realisiert werden

Der Übernahmeplan scheiterte, ein Großteil der Kaufoptionen konnte nicht realisiert werden, statt 75 Prozent schaffte es Porsche nur auf gut 51 Prozent an VW. Später brach Porsche an der Schuldenlast fast zusammen und musste seine Autoproduktion an Volkswagen verkaufen. Heute ist die Porsche SE eine reine Beteiligungsgesellschaft, während die Produktion als Porsche AG eine VW-Tochter ist.

Auch in einem weiteren Punkt bekam die Staatsanwaltschaft keinen Rückenwind durch das Gutachten. Die Anklage wirft Wiedeking und Härter mit der Mitteilung ein „planvolles“ Einwirken auf den Börsenpreis vor. Genau dies sei aber in den damaligen Marktverwerfungen nicht möglich gewesen, so Burghof. „In einer so chaotischen Situation ist nichts planbar.“ Ob der Kurs nach einer Pressemitteilung nach oben oder nach unten gehe, sei in solchen „Blasenzeiten“ zum Teil schlicht zufällig, weil manche Anleger die Mitteilung anders verstünden, Transaktionen tätigten und ihnen viele andere Anleger folgten - Kaskaden-Effekt nennt Burghof das.

Gutachter Burghof betonte in seinem Vortrag, wie wichtig die damalige Zeit für Wiedeking und Härter war. Generell gelte: Wenn Firmenchefs große Übernahmepläne vermasselten, sei deren Karriere zu Ende. In einigen Metern Entfernung saßen die zwei Ex-Porsche-Chefs im Saal - seit ihren Einlassungen zu Beginn des Verfahrens mit vehementen Unschuldsbeteuerungen vor zwei Wochen verfolgen sie den Prozess schweigend. Nach ihrem Abgang bei Porsche 2009 nahmen die beiden tatsächlich auf keinem anderen wichtigen Chefposten mehr Platz. Planmäßig dauert der Prozess noch bis Februar 2016.