Anderswo wird noch immer verhandelt, in Stuttgart aber entschieden: Mit seinem Urteil zum Schadenersatz für Anleger in der Dieselaffäre schlägt das Landgericht einen Pflock ein, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Mit diesem Urteil hat das Landgericht Stuttgart einen Pflock eingeschlagen bei der Aufarbeitung von Anlegerklagen wegen der VW-Dieselaffäre. Die Porsche SE als VW-Mehrheitsaktionärin muss Millionen Euro Schadenersatz zahlen, vor allem wegen Versäumnissen des einstigen Doppelvorstandschefs Martin Winterkorn – das wird bundesweit Beachtung finden. Nicht nur Käufer von Porsche-SE-Aktien, sondern auch von VW-Papieren können nun mehr als bisher darauf hoffen, Verluste wegen der verschwiegenen Motormanipulationen ausgeglichen zu bekommen. Der Autokonzern und seine Muttergesellschaft könnten in den weiterlaufenden Verfahren dagegen verstärkt unter Druck geraten.

 

Erster Erfolg für die Anleger

Gewiss, man darf das Urteil nicht überschätzen. Es geht darin nur um die Porsche SE, um Schadenersatz für einen stark eingegrenzten Zeitraum und letztlich in überschaubarer Höhe. Vor allem ist es noch nicht rechtskräftig, sondern dürfte angefochten werden. Doch Signalwirkung entfaltet der Spruch schon deshalb, weil damit gut drei Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals erstmals eine Entscheidung zugunsten der Anleger getroffen wurde. Das Musterfahren in Braunschweig mit Fokus vor allem auf VW ist nach längerer Verzögerung eher zäh angelaufen, einem Musterverfahren zu Porsche in Stuttgart zeigt sich das Oberlandesgericht nach überlanger Bedenkzeit eher abgeneigt – da ist es gut, dass das Landgericht nun einmal seine Sicht der Dinge dargelegt hat.

Man mag dem Einzelrichter, der das Verfahren so kenntnisreich wie engagiert vorangetrieben hat, einen gewissen Wunsch nach Profilierung unterstellen. Doch niemand spricht ihm das Bemühen ab, die hin- und hergeschobenen Verantwortlichkeiten in der Dieselaffäre sauber herauszuarbeiten; selbst die Vertreter der beklagten Porsche SE zollten ihm Respekt dafür. Natürlich ist ein Zivilprozess um Anlegerklagen nicht das richtige Forum, um die Motormanipulationen grundsätzlich aufzuarbeiten. Doch die Stuttgarter Kammer hat mit dazu beigetragen, die Abläufe bei VW zu erhellen. Nun sind andere Gerichte am Zug, es ihr gleichzutun.