Gegen das Portal des früheren Bild-Chefs gibt es immer wieder Beschwerden, gerade wurde eine Berichterstattung zu Flüchtlingen bei Zahnärzten wegen Sorgfaltsmängeln beanstandet. Nun erhält „Nius“ aber eine Lizenz für den TV-Sendebetrieb.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Auf einem Artikelbild blicken einem drei Männer entgegen. Sie ziehen ihre Lippen weit auseinander, um ihre Zähne zu zeigen, es wirkt gleichzeitig wie ein hämisches Grinsen. Der Text dazu macht die Männer als Bewohner eines Berliner Asylbewerberheims erkennbar. Darüber prangt die Überschrift „’Danke Deutschland!’ Wir haben uns die Zähne machen lassen“.

 

Dieser Bericht auf „Nius“, dem Netz-Portal von Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt, war eine Reaktion auf die Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz im September des Vorjahres, Flüchtlinge würden sich hierzulande die Zähne richten lassen, während Einheimische auf Termine warten würden. Nun gab es zu der Veröffentlichung eine medienrechtliche Beanstandung, weil man gegen die journalistische Sorgfaltspflicht gemäß Paragraph 19 des Medienstaatsvertrags verstoßen habe, wie die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (Mabb) unserer Redaktion mitteilte.

Die Grenzen des Sagbaren werden bei „Nius“ ausgelotet

Eine detaillierte Begründung macht die Mabb nicht öffentlich. Aber gegenüber dem Medienmagazin „Zapp“ des NDR schilderten mehrere Mitarbeiter und Bewohner des Heims damals, dass die Betroffenen über die geplante Berichterstattung irregeleitet worden seien, was journalistischen Grundsätzen widerspreche. Dazu merkt das Fachmedium „Übermedien“ an, der Bericht suggeriere, die Menschen hätten sich die Zähne neu machen lassen. Tatsächlich hatten die meisten an akuten Schmerzen gelitten. In diesem Fall stehe ohnehin allen Menschen in Deutschland eine schnelle Behandlung zu.

Der Tonfall im Bericht über die Zahnbehandlungen ist kein untypischer für „Nius“. Was als Aufreger taugt, wird aufgegriffen, beliebte Themen sind Transmenschen oder Geflüchtete. Es gibt zwar auch zurückhaltendere Berichte, oft werden aber die Grenzen des Sagbaren ausgelotet. Politiker, Parteien und bekannte Persönlichkeiten klagen deswegen immer wieder gegen Reichelts Medium, um etwa gegen Falschbehauptungen vorzugehen. Mal fallen die Urteile unter Begründung der Meinungsfreiheit pro Reichelt und „Nius“ aus, mal gegen sie.

Mehrere Beschwerden werden noch geprüft

Ein paar Beispiele: Der Nationalspieler Antonio Rüdiger sah sich von Reichelt als Islamist verunglimpft, nach einer Anzeige Rüdigers wurden die Ermittlungen gegen Reichelt aber eingestellt. Bei dem Verein „Polizei Grün“ erweckte Reichelt den Eindruck, die Grünen bauten sich damit eine eigene Polizei auf. Es gibt auch vergleichbare Berufsvereinigungen, die anderen Parteien nahestehen. Vor Gericht gab es eine Teilniederlage für Reichelt.

Auch zwischen dem Satiriker Jan Böhmermann und Reichelt gab es eine gerichtliche Auseinandersetzung. Böhmermann hatte in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ über mutmaßliche Russlandkontakte des damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, berichtet. Schönbohm wurde abberufen, Reichelt stellte in der Folge in den Raum, Bundesinnenministerin Nancy Faeser stehe hinter den Berichten. Böhmermanns Produktionsfirma klagte gegen Reichelts Behauptung und gewann.

Zudem beschäftigt „Nius“ die Medienanstalt Berlin-Brandenburg immer wieder. 16 Beschwerden seien bisher eingegangen, vier würden derzeit noch geprüft, heißt es. Bisher blieb es bei der einen erwähnten Beanstandung – und gegen die will „Nius“ laut Übermedien rechtlich vorgehen.

Julian Reichelt will „Morning Show“ ausbauen

Am Montag gab die Mabb schließlich bekannt, dass das Portal eine Zulassung für ein bundesweit ausgerichtetes Fernsehprogramm namens „Nius TV“ sowie für „Nius – das Radio“ erhalten habe. Die Beschwerden würden die Zulassung nicht beeinflussen, sagt Mabb-Direktorin Eva Flecken. Die Zulassung würde nur bei sehr schwerwiegenden Gründen verwehrt, die Einhaltung von Bestimmungen wie dem Medienstaatsvertrag werde laufend überprüft.

„Nius“ sendet bereits seit einiger Zeit eine einstündige „Morning Show“. Am Montag verkündete das Unternehmen, dass man die Sendung noch in diesem Jahr ausbauen wolle. Bisher sendete man übrigens ohne Zulassung, ein Verfahren dagegen wurde aber eingestellt. Begründung: Zur Einleitung eines solchen Verfahrens müsste die Sendung im Durchschnitt 20 000 Zuschauer gleichzeitig erreichen. „Nius“, das sich den Beinamen „Stimme der Mehrheit“ gegeben hat, hat das bisher nicht erreicht.